Filmkritik: On the Rocks
Mit der Dialoglast der Komödie On the Rocks begibt sich Sofia Coppola auf ungewohnte Pfade, was man dem Film leider auch anmerkt. Doch dann kommt Bill Murray.
Auf Eis…
Einen pointiert doppeldeutigen Titel hat Regisseurin und Drehbuchautorin Sofia Coppola für ihren siebten Film ausgewählt. Der Ausdruck „on the rocks“ kann im figurativen Sinne einen nahenden Ruin andeuten, ob im finanziellen oder privaten Bereich. Und eben diese Richtung sieht Hauptfigur Laura (Rashida Jones) ihre Ehe ansteuern. Während die Schriftstellerin in der weitläufigen New Yorker Wohnung mit einer Schreibblockade kämpft und die beiden Töchter großzieht, ist ihr Ehemann Dean (Marlon Wayans) fast ununterbrochen auf Geschäftsreisen. Als er sich dann auch noch bei einer nächtlichen Rückkehr seltsam verhält und Laura Unerwartetes in seinem Koffer entdeckt, wird der Verdacht stärker: Dean könnte eine Affäre mit seiner attraktiven Kollegin Fiona haben.
Viel geläufiger ist uns der Ausdruck „on the rocks“ aber, wenn wir von Getränken sprechen, vor allem alkoholischen. Und hier kommt Lauras Vater Felix (Bill Murray) ins Spiel: ein vielreisender Kunsthändler und Lebemann, der gern durch die feinsten Bars New Yorks und Europas tingelt. Nachdem ihm Laura am Telefon von ihrem Verdacht erzählt hat, steht er eines Tages überraschend vor der Tür. Nicht etwa, um sie zu trösten, zu beruhigen oder zu beraten. Stattdessen will er der Sache mit detektivischem Spürsinn und dem Know-How eines notorischen Fremdgängers auf den Grund gehen.
Ein unerwarteter Ausflug
Als leichtfüßige Komödie kommt On the Rocks zu Beginn daher, was für einen Sofia Coppola-Film schon ungewöhnlich ist. Zärtlich, verträumt, melancholisch mutet ihr bisheriges Werk seit ihrem grandiosen Spielfilmdebüt The Virgin Suicides (1999) an. Mit sparsamen Dialogen, ausufernden Kamerafahrten und einer detailreichen Ausstattung stellen ihre Filme visuell beeindruckende, zeitlose Studien über Einsamkeit und Isolation dar, ob es ihre Figuren nun nach Tokyo (Lost in Translation), Los Angeles (Somewhere) oder Versailles (Marie Antoinette) verschlagen hat.
In On the Rocks geht es hingegen nach New York und mit dem Versuch einer dialoggetriebenen Komödie ins Territorium eines Woody Allen, der seine neurotischen Figuren scheinbar mühelos Unterhaltsames daherreden lassen kann. On the Rocks merkt man hingegen früh an, dass Sofia Coppola sich bei der Dialoggestaltung auf für sie unwegsamen Gelände befindet. Die Gespräche zwischen Laura und ihrer Umgebung muten fast alle etwas unnatürlich und hölzern an. Viele der Nebenfiguren wirken dementsprechend auch unausgeformt und uninteressant, etwa die von Jenny Slate gespielte Dauerquasslerin Vanessa. Und selbst bei der eigentlich fokussierten Vater-Tochter-Beziehung zwischen Laura und Felix dauert es etwas, bis man über die ungelenkeren Dialogparts und deplatzierten Aphorismen hinweghören kann. Dafür bekommt man dann aber bald die ernste Verankerung dieser Komödie zu spüren.
Mein Vater, der Kavalier
Während Lauras gesamte Umgebung (und das Kinopublikum) nämlich Felix als charmanten, urkomischen und fürsorglichen Chaoten wahrnimmt, hat seine Tochter für viele seiner spontanen Schnapsideen nur ein müdes Augenrollen übrig. Dass er keiner Frau begegnen kann, ohne sie anzuflirten und Komplimente zu verteilen, nervt sie gewaltig, vor allem angesichts der vermuteten Untreue ihres Ehemannes und ihrer von der Scheidung der Eltern überschatteten Kindheit. Diese Schwere in der eigentlich liebevollen Vater-Tochter-Beziehung integriert Sofia Coppola so feinfühlig graduell in ihren Film, dass ihm die Komik niemals gänzlich abhandenkommt. Nichtsdestotrotz läuft On the Rocks trotz unerwarteter und urkomischer Ausflüge auf den Fersen des ahnungslosen Dean vor allem auf einen emotionalen Showdown zwischen Vater und Tochter hinaus.
Ein Abweg mit Vorzügen
Trotz seiner vielen Ungeschliffenheiten, wird man On the Rocks keinesfalls gänzlich ablehnen können. Über den fehlenden Flow in den Dialogen und die unausgearbeiteten Figuren, hilft einem vieles hinweg, allen voran: Bill Murray. Ab seinem ersten Auftritt verstärkt sich zunehmend der Eindruck, dass der betagte Murray sowohl den Anlass als auch den Retter dieses Films darstellt. Und die Freude über lakonisch-lustiges Spiel schwindet auch nicht, wenn das tieferliegende Thema, die Zerbrechlichkeit eines schwierigen Vater-Tochter-Verhältnisses, zum Vorschein kommt. Coppola sei diese Abwendung von ihrer melancholischen Bildgewalt also ruhig gegönnt – auch wenn ich hoffe, dass sie von kurzer Dauer sein wird.
On the RocksUSA 2020 culturshock-Wertung: 6/10 |
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