Filmkritik: The Promise
Nichts bietet sich so sehr an wie Film, um breitenwirksam an ein verdrängtes historisches Kapitel zu erinnern. Doch dieses hehre Anliegen allein macht noch keinen sehenswerten Film. Im Kino lässt sich das aktuell bei The Promise feststellen. Ein Historiendrama, das sich mit dem im Zuge des Ersten Weltkriegs begangenen Völkermord an den Armeniern auseinandersetzt. Dafür greift es aber behelfsweise zu einer so rührseligen wie uninteressanten Liebesgeschichte.
Verbotene Liebe in Konstantinopel
Diese fängt mit der Reise des jungen Armeniers Mikael (Oscar Isaac) 1914 nach Konstantinopel an. Hier, im prachtvollen Zentrum des Osmanischen Reichs, möchte Mikael Medizin studieren, um als Arzt seinem Heimatdorf im Südosten der Türkei zu dienen. Finanziert wird sein Studium von einem wohlhabenden Dorfbewohner, dessen Tochter Mikael im Gegenzug ehelichen soll. Doch dieses dem Film seinen Titel verleihende Versprechen ist bald vergessen, als Mikael über seinen Onkel in Konstantinopel die schöne Ana (Charlotte Le Bon) kennen lernt: eine junge armenische Künstlerin, die in Paris aufgewachsen ist und mit ihrem amerikanischen Freund Chris (Christian Bale), einem Journalisten, in ihre alte Heimat gereist ist.
Damit wäre das Liebesdreieck, das die Handlung in Gang bringen soll, komplett. Wir sehen Mikael unter seiner Verpflichtung gegenüber seinem Versprechen leiden, Ana vor der Qual der Wahl zwischen zwei scheinbar gegensätzlichen Männern stehen und Chris alles erstaunlich spät merken. Dass dies recht kalt lässt, liegt keineswegs an der hochkarätigen und engagierten Besetzung. Vielmehr hat es damit zu tun, dass solche aus zahlreichen Liebesfilmen bekannten Gefühlskonflikte angesichts der sich im Hintergrund anbahnenden humanen Katastrophe recht schnell verblassen.
Und tatsächlich scheint The Promise näher bei sich zu sein, als Mikael aus diesem Liebesdreieck herauskatapultiert wird und sich mit Verfolgung, Zwangsarbeit und Flucht konfrontiert sieht. Seine Odyssee zurück in sein Heimatdorf ist bisweilen packend inszeniert – bis sich seine Wege wieder mit Ana und Chris kreuzen, damit das Liebesdreieck wie üblich zerfallen kann.
Hehres Anliegen verfehlt
Dass The Promise an den amerikanischen Kinokassen floppte und nur wenige Filmkritiker für sich einnehmen konnte, ist angesichts des zwischen Liebesmelodram und Historiendrama unentschieden umher stolpernden Plots nicht verwunderlich. Für das eigentliche Anliegen des Films, über den Völkermord an den Armeniern aufzuklären, ist das selbstverständlich bedauerlich. Nachdem zuletzt 2014 auch Fatih Akins The Cut zum gleichen Thema scheiterte, könnte man den Eindruck gewinnen, dass man das Kinopublikum für solch einen ernsten Stoff nicht einnehmen kann.
Doch es war ausgerechnet Terry George (Regisseur von The Promise), der 2004 mit Hotel Ruanda das Gegenteil bewies. Damals konzentrierte er sich darauf, eine fesselnde Geschichte über die Herausforderung menschlichen Mitgefühls zu erzählen und konnte so den Zuschauern einen klaren Bezugspunkt neben seinem hehren Anliegen bieten. The Promise verfügt hingegen nur über die letztere Intention und verfehlt sie gerade deswegen.
The Promise – Die Erinnerung bleibtUSA 2017 culturshock-Wertung: 5/10 |