Film

BERLINALE 2023 #4: Talk to Me (Special)

Das junge australische Regie-Duo Daniel und Michael Philippou hat mit Talk to Me einen nicht ganz hintergründigen, aber drastisch und einfallsreich inszenierten Horrorstreifen kreiert.

In zwei dicht aufeinanderfolgenden Szenen setzt Talk to Me den Ton für sein Horrorszenario: In der furiosen, scheinbar in einer einzigen Einstellung gedrehten Einstiegsszene folgt die Kamera Cole (Ari McCarthy) bei der Suche nach seinem jüngeren Bruder Duckett (Sunny Johnson) auf eine von Jugendlichen veranstaltete Hausparty. Cole findet Duckett schließlich, doch der scheint nicht ganz bei sich zu sein, fängt plötzlich an sich selbst zu verletzten, bevor er zu einem Messer greift und der Abend blutig endet.

Talk to Me Film Horror Berlinale

Mia (Sophie Wilde) bereut das Partyspiel | © Matthew Thorne

Bald darauf fokussiert sich der Film auf die junge Mia (Sophie Wilde), die nach der Gedenkfeier für ihre vor einem Jahr ums Leben gekommene Mutter mit dem Auto zu ihrer Freundin Jade (Alexandra Jensen) fährt. Auf dem Weg dorthin sieht sie zufällig Jades jüngeren Bruder Riley (Joe Bird) am Straßenrand sitzen und nimmt ihn mit. Die Fahrt der beiden wird aber jäh unterbrochen, als sie ein qualvoll verendendes Känguru-Jungtier auf der Straße entdecken (ja, wir sind in Australien). Riley bittet Mia, dessen Leiden zu beenden, aber sie bringt es nicht über sich, es zu überrollen.

Düster und drastisch

Beide Szenen sind auf ihre Art vorausdeutend, zeigen für sich genommen keine völlig neue Herangehensweise ans (Teen-)Horror-Genre, aber sind in ihrer jeweiligen Düsternis und Drastik eigensinnig komponiert. Verantwortlich hierfür sind die beiden australischen Zwillingsbrüder Daniel und Michael Philippou. Seit Jahren drehen die beiden für ihren Youtube-Kanal „RackaRacka“ vulgäre, überdrehte und teils aufwendig produzierte Horror-Sketch-Videos. Zum Glück lässt sich von diesen, bisweilen wirklich geschmacklosen und selten lustigen Clips auf die Qualität des ersten Langspielfilms der Philippou-Brüder schließen, aber mit Causeway Films war immerhin die hinter Der Babadook steckende australische Produktionsfirma in diesen Film involviert. Im weiteren Verlauf erweist sich Talk to Me entsprechend als recht ambitioniertes Projekt mit einigen frischen Drehs.

Talk to Me Film Horror Berlinale

Die Regie-Gebrüder/Youtuber Danny und Michael Philippou | © Michael Lipapis

Geisterbeschwörung als viraler Party-Spaß

Das Herzstück des Plots erreicht Talk to Me, als Mia, inzwischen bei Jade angekommen, auf die viralen Videos zu sprechen kommt, die alle Gleichaltrigen gerade so eifrig teilen. Darauf zu sehen sind Teenies bei einem Partyspiel, das sie plötzlich wild umherzucken und in fremden Zungen sprechen lässt. Obwohl Jade davon überzeugt ist, dass diese Jugendlichen lediglich für Klicks und Likes simulieren, lässt sie sich von Mia überreden, zu einer dieser Partys zu gehen und lässt auch zu, dass sich Riley ihnen anschließt. Immerhin wird dort auch ihr Freund Daniel (Otis Dhanji) zugegen sein, um den sich seit Wochen alles für Jade zu drehen scheint – zu Mias Verdruss.

Mia selbst wird von der Party-Clique als weirde Außenseiterin betrachtet, die wohl kaum ohne Jades Begleitung hineingelassen worden wäre. Aus einem Bewusstsein hierüber meldet sie sich denn auch als erste Freiwillige, als es ans ominöse Partyspiel geht. Gastgeber*innen Hayley (Zoe Terakes) und Joss (Chris Alosio) packen dafür eine seltsam abgegriffene Keramikhand heraus, die Mia ergreifen und mit den Worten „Talk to Me“ aktivieren soll. Daraufhin soll ihr der Geist eines Toten erscheinen, dem sie anbieten soll, in ihren Körper einzutauchen. Nicht länger als 90 Sekunden darf der Spuk dauern, sonst droht der Geist des Toten sein jugendliches Medium auf Dauer in Beschlag zu nehmen.

Suspense, Komik und Einfallsreichtum

Zwar sind die jungen Protagonist*innen von Talk to Me nicht so erfrischend unbesonnene Hohlköpfe wie wir sie etwa bei Bodies, Bodies, Bodies bestaunen konnten. Nichtsdestotrotz sind sie leichtsinnig genug, die 90-Sekunden-Frist zu überschreiten und die Kommunikation mit den keineswegs wohlgesonnenen Toten eskalieren zu lassen. Mit blutigen Schockeffekten werden im weiteren Verlauf von Talk to Me einige Suspense- und Schreckmomente kreiert, diese aber bisweilen auch von einer gewissen Komik unterwandert. Beinahe gelingt es den Philippous, einen klug arrangierten und durchweg lobenswerten Horrorstreifen zu erschaffen, wäre da nicht die Sache mit dem Anspruch: Wiederholt drängt sich Talk to Me in die Psyche seiner Hauptfigur Mia, setzt an, ihre Unsicherheit über die wahren Todesumstände ihrer Mutter, ihr kompliziertes Verhältnis zu Jade und Daniel und ihre profunde Einsamkeit näher zu erkunden, macht dann aber doch wieder Rückzieher oder holt zur schnellen Deutungskeule aus

Ein subtileres Umkreisen solcher unterbewussten Umtriebe, etwa wie ihn David Robert Mitchells It Follows (2014), wäre wünschenswert gewesen. Aber schließlich muss ja der Plot vorankommen, der im dritten Akt einfach nicht so recht einen stimmigen Abschluss und stattdessen wohl lieber eine sequelanregende Pointe finden will. Das mag alles sehr mäkelig klingen, aber Talk to Me ist trotz dieser Kritikpunkte für seinen Einfallsreichtum allein sehenswert und darf sich als nicht ganz hintergründiger, aber launiger Horrorstreifen getrost neben Bodies, Bodies, Bodies gesellen.

Talk to Me Film Horror BerlinaleTalk to Me

Australien 2022
REGIE: Daniel und Michael Philippou
DREHBUCH: Daniel Philippou, Bill Hinzman
KAMERA: Aaron McLisky
BESETZUNG: Sophie Wilde, Alexandra Jensen, Joe Bird, Otis Dhanji, Miranda Otto, Zoe Terakes, Chris Alosio
95 Min. Kinostart Deutschland: unbekannt
BERLINALE 2023 – Special

culturshock-Wertung: 7/10

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