Film

Filmkritik: Kills on Wheels

SEEFF 2017. Mit einem heiteren Street Food Market im Hof des Collegium Hungaricum begann das diesjährige South East European Film Festival in Berlin – kurz: SEEFF. Zahlreiche Leckereien aus den Balkanregionen gab es hier zu probieren, zu denen hervorragende Weine aus Serbien und Ungarn dargereicht wurden, bevor sich das Publikum im Vorführsaal zu Attila Tills Kills on Wheels versammelte. Eine Tragikomödie, in dem sich zwei junge Männer mit Behinderungen einem seit kurzem im Rollstuhl sitzenden Auftragskiller anschließen.

Zum ersten Mal begegnen Zoli (Zoltán Fenyvesi) und Barba (Ádám Fekete) dem querschnittsgelähmten Rupaszov (Szabolcs Thuróczy) in der Reha-Klinik, nachdem diesem sein Ruf schon vorausgeeilt ist. Bis vor kurzem saß er im Knast, nachdem er als Feuerwehrmann bei einem Einsatz schwer verletzt worden und sein Leben anschließend aus den Fugen geraten war. Als trinkfester Haudegen, mit dem nicht ungestraft zu spaßen ist, präsentiert er sich den beiden Jungs, die ihn bald ins Herz schließen. Bei einem feucht-fröhlichen Abend bietet Rupaszov Zoli und Barba an, ihm bei seinem Job als Auftragskiller zu assistieren.

Willkommene Schnapsidee

Vor allem für Zoli ist diese Schnapsidee zunächst eine willkommene Ablenkung. Seit einiger Zeit drängt ihn seine Mutter dazu, sich einer lebensrettenden Operation zu unterziehen, da seine schwere Rückenverkrümmung dazu führen kann, dass sich seine inneren Organe gegenseitig erdrücken. Zoli ist jedoch abgeneigt, da das Geld für die OP von seinem Vater kommt. Dieser hat vor Jahren seine Famile verlassen, um sich in Deutschland ein neues Leben aufzubauen. Und so lockt ihn auch das Geld, das Rupaszov bereit ist mit ihm und Barba zu teilen.

Kills on Wheels

Unterwegs zum nächsten Auftrag: Rupaszov (Szabolcs Thuróczy), Zoli (Zoltán Fenyvesi) und Barba (Ádám Fekete) | Copyright: Pretty Pictures

Fortan fahren die drei von Auftrag zu Auftrag, die sie gemächlich und ungehindert ausführen können. Bei der Inszenierung dieser Actionszenen trifft Attila Till zwar nicht immer das Timing, das er für die beabsichtige Drastik der Szenen bräuchte. Aber viel interessanter ist ohnehin, was nach den Auftragsmorden passiert. Die Behinderungen von Rupaszov, Zoli und Barba wirken als ideale Deckung. Niemand verdächtigt die drei in Rollstühlen am Tatort vorbeifahrenden Männer. Nur die Zuschauer sehen in ihnen ein ungewöhnliches Gangstertrio, während ihr Umfeld sie stets als hilfsbedürftig oder bemitleidenswert wahrnimmt.

Trotz erfolgreich ausgeführter Auftraggeber sind Zoli und Barba dem Auftraggeber Radoš ein Dorn im Auge. Der finstere Mann, bekennender Menschenhasser und Hundeliebhaber, der seine fünf Rottweiler seine ‚Kinder‘ nennt, stellt Rupaszov bald das Ultimatum, seine beiden Auftragshelfer zu erledigen.

Skizzen einer Vaterfigur

Nachdem der Beginn von Kills on Wheels noch etwas an inszenatorischen Schwächen leidet, ist man im Verlauf des Films bald Feuer und Flamme für Zoli, Barba und Rupaszov. Dies liegt zum einen daran, dass Attila Till viel Mühe in die Ausarbeitung der Charaktere gelegt hat. Rupaszovs Umgang mit seiner Behinderung und seinem destruktiven Verhalten, Zolis Wut für seinen Vater und Barbas freundschaftliche Hingabe zu Zoli vereinen sich zu einem berührenden und lustigen Drama, das sich nie die Blöße eines alles vereinfachenden Feel Good-Films gibt.

Zum anderen enthält Kills on Wheels eine zweite Deutungsebene, die nicht als lahmer Twist gegen Ende daherkommt, sondern sich von Anfang an abzeichnet. Die zentrale Figur Zoli – dargestellt von dem in Ungarn als wheelchairguy bekannten Schauspieler, Sportler und Blogger Zoltán Fenyvesi – erschafft sich mit Rupaszov eine Vaterfigur, zu der er trotz ihrer Gebrochenheit mehr aufschauen kann als zu seinem biologischen Vater. Damit schildert Kills on Wheels eine beeindruckende Geschichte über die künstlerische Verarbeitung und Überwindung väterlicher Zurückweisung.

Kills on WheelsKills on Wheels (Tiszta szívvel)

Ungarn 2016
Regie & Drehbuch: Attila Till
Besetzung: Szabolcs Thuróczy, Zoltán Fenyvesi, Ádám Fekete
105 Min. Gesehen auf dem SEEFF 2017

culturshock-Wertung: 6/10

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