Film

Filmkritik: Into the Forest

Woran hält man sich fest, wenn der Energiezufluss und jegliche Mittel zur Telekommunikation plötzlich gekappt sind, die Warenproduktion stillsteht und nach einiger Zeit klar wird, dass das Ende der Zivilisation, wie wir sie kannten, gekommen ist? Am menschlichen Miteinander. So lautet die Antwort der meisten postapokalyptischen Szenarien, die uns von Büchern, Serien und Filmen der letzten Jahre serviert wurden. Doch während diese erst nach erschöpflicher Darstellung des brutalen Überlebenskampfs zu solchen Erkenntnissen vordrangen, setzt das Drama Into the Forest von Anfang auf diese Prämisse und schildert, wie zwei Schwestern im Zivilisationskollaps zueinander finden.

Erst abgelegen, dann isoliert

Das Dach weist einige undichte Stellen auf und die nächste Stadt ist einige Autostunden entfernt. Aber ansonsten erscheint dieses Haus mitten in den Wäldern der kanadischen Westküste wie ein idyllischer Traum für jeden von Lärm und Hektik geplagten Großstädter. Der vor kurzem verwitwete Robert (Callum Keith Rennie) lebt hier mit seinen Teenager-Töchtern Eva (Evan Rachel Wood) und Nell (Ellen Page) in einer wahrscheinlich nicht allzu fernen Zukunft (immer noch keine fliegenden Autos, aber die physischen Fernseh- und Computer-Bildschirme sind Hologrammen gewichen).

Während Eva unermüdlich für eine begehrte Rolle in einem Tanzstück probt, büffelt Nell für ihre Aufnahmeprüfung am College, bis eines Abends ein rätselhafter Stromausfall die gesamte Westküste Kanadas lahmlegt. Als Robert nach zehn stromlosen Tagen mit seinen Töchtern in die Stadt fährt, zeigen sich die Folgen des Ausfalls. Die Läden sind leer gekauft, es gibt kaum Benzin, dafür aber eine spürbare Panik, auf die einige Bewohner mit Bewaffnung reagieren. Bei der Heimfahrt erleuchten die Lichtkegel ihres Autos die verlassene und von Wald umgebene Straße auf vorausdeutende Weise. Die Abgelegenheit ihres Zuhauses wird sich bald notgedrungen zur Isolation entwickeln. Als dann wenige Tage später Robert bei einem Unfall im Wald ums Leben kommt, sind die beiden ungleichen Schwestern auf sich allein gestellt.

Into the Forest Film Drama

Haben nur noch einander: Nell (Ellen Page) und Eva (Evan Rachel Wood)

Erwachsenwerden nach dem Kollaps

Im Folgenden schildert Into the Forest in eindrücklichen Momentaufnahmen, wie sich zwischen den Schwestern über Bewährungsproben hinweg feste Bande entwickeln. Dass der Film dabei von Jean Heglands gleichnamiger Romanvorlage abweicht und darauf verzichtet, diese Bande ins explizit Inzestuöse münden zu lassen, kann als mutlose Aussparung gewertet werden. Dies ist aber weniger problematisch als folgende Mängel:

Angesichts der Konzentration auf die Schwesternbande verkommt der Überlebenskampf in Into the Forest zur allzu leicht gelösten Nebensächlichkeit – vor allem, wenn man ihn mit der packenden Darstellung in Dystopien ähnlichen Ausmaßes wie The Road vergleicht. Zudem verlässt sich Regisseurin Patricia Rozema mitunter etwas zu sehr auf die mit eingängigen Melodien untermalten Montagesequenzen und die sich so gut darin einfügenden emotionalen Darbietungen ihrer Darstellerinnen. Aber vor allem letztere erhalten schließlich das Interesse am Ausgang der Situation von Eva und Nell aufrecht. Die beiden reifen im Zuge überstandener Tragödien schließlich zu Erwachsenen heran, die sich der allmählichen Entkopplung von ihrem einstigen Dasein, ihren Lebensträumen und ihrem Zuhause stellen müssen. Und dies ist trotz der erwähnten Mängel durchaus sehenswert.

Into the Forest Film DramaInto the Forest

Kanada, 2016
Regie & Drehbuch: Patricia Rozema
Besetzung: Ellen Page, Evan Rachel Wood, Max Minghella, Callum Keith Rennie
97 Min. DVD/Blu-ray-Start: 17. Februar 2017
Erschienen auf DVD/Blu-ray bei: Capelight Pictures
Extras: Making-of, Audiokommentar von Patricia Rozema, Trailer

culturshock-Wertung: 6/10

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