Film

Filmkritik: The Party

BERLINALE 2017 – WETTBEWERB: Dass diese Feier eine unschöne Wendung nehmen wird, eröffnet uns The Party gleich zu Beginn, als Kristin Scott Thomas im Türrahmen steht und uns mit einer Knarre bedroht. In schwarz-weiß, Echtzeit und mit viel Dialogwitz entlarvt Regisseurin Sally Potter, zu welchen Lügen und Selbsttäuschungen Menschen greifen, um ihre Ideale aufrechtzuerhalten. Nicht nur Politiker.

Triumph und Agonie

Jahrzehnte hat Janet (Kristin Scott Thomas) in ihre politische Karriere investiert und nun scheint es sich endlich auszuzahlen: Sie ist zur Gesundheitsministerin im britischen Schattenkabinett ernannt worden. Um das zu feiern, hat sie ihre engsten Freunde zu einer Feier zu sich nach Hause eingeladen. Während sie ein ambitioniertes Mahl zubereitet und verschämt mit ihrer Affäre telefoniert, lässt sich Bill (Timothy Spall), ihr Ehemann seit dreißig Jahren, im Wohnzimmer gepflegt zu seinen Lieblingsplatten volllaufen. Über all die Jahre hat er Janet in ihrer politischen Karriere unterstützt, sogar eine Yale-Professur dafür aufgegeben. Nun scheint er sich  aber über ihren Erfolg nicht so recht freuen zu können. Sehr viel Beachtung wird ihm von den nach und nach eintreffenden Gästen zunächst nicht geschenkt. Zu sehr sind diese mit ihren eigenen Lebenswirren beschäftigt.

The Party

Bill (Timothy Spall), Tom (Cillian Murphy), Jinny (Emily Mortimer) und April (Patricia Clarkson) |© Adventure Pictures Limited 2017

Die Gästeliste

Da wäre April (Patricia Clarkson), die sich aufrichtig für den Erfolg ihrer Freundin Janet freuen möchte, aber schon längst ihren Glauben an die Demokratie verloren hat, sowie das Verständnis für all die Lebenslügen ihrer Mitmenschen. Für jeden der eintreffenden Gäste hat sie zur Erheiterung des Zuschauers eine sarkastische Spitze parat – allen voran ihren Partner Gottfried (Bruno Ganz), der als spiritueller Heiler, Aromatherapeut und Deutscher ein allzu leichtes Ziel abgibt. Dies wäre aber nicht mal die dysfunktionalste Beziehung dieses Abends.

Da gibt es noch die lesbische Akademikerin Martha (Cherry Jones) und ihre junge Freundin Jinny (Emily Mortimer), die sich zu Marthas ohnehin mäßiger Freude einer künstlichen Befruchtung unterzogen hat und ihr nun eröffnet, dass es Drillinge werden. Tom (Cillian Murphy) trifft ganz ohne seine Ehefrau Marianne ein, hat sich aber für den Abend mit einer ordentlichen Portion Kokain und einer Knarre gewappnet. Und dies nicht nur, weil er als „Wanker-Banker“ (O-Ton April) eine Außenseiter-Position in dieser liberalen Clique einnimmt.

An guter Musik und Alkohol hat’s nicht gefehlt. | ©Oxwich Media Limited/ Adventure Pictures Limited

Vom Fest zum Handfesten

Als wäre die Stimmung nicht schon aufgeladen genug, macht Bill zwei Erklärungen: eine tragische und eine schockierende. Von hier an nimmt der Abend einen katastrophalen Lauf. Die passiv-aggressiven Diskussionen wandeln sich zu offenen Konfrontationen, psychischer wie physischer Natur. Mit treffsicherem Dialogwitz legt Sally Potter die Widersprüchlichkeit und Bigotterie dieser liberal-elitären Gruppe bloß, deren Mitglieder schon lange aufgehört haben, zu sich selbst und ihren Mitmenschen aufrichtig zu sein. Eine absolut unterhaltsame, witzige und nachdenklich stimmende Entlarvung findet vor den Augen des Zuschauers statt, der damit angehalten wird, seine so festen Überzeugungen auf politischer wie privater Ebene zu hinterfragen. Die besondere Stärke von The Party ist dabei die absolute Konzentration aufs Wesentliche. Diese äußert sich nicht nur in der Wahl von Zeit, Ton und Setting, sondern auch im zielgerichteten Zusteuern auf eine feine Pointe.

The PartyThe Party

Großbritannien 2017

Regie & Drehbuch: Sally Potter

Besetzung: Kristin Scott Thomas, Patricia Clarkson, Timothy Spall u.a.

71 Min. Berlinale 2017 – Wettbewerb

culturshock-Wertung: 8/10

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