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Filmkritik: Gabriel and the Mountain

AROUND THE WORLD IN 14 FILMS: Am 17. Juli 2009 wurde der 28-jährige Brasilianer Gabriel Buchmann in Malawi als vermisst gemeldet, nachdem er von einer Klettertour zum dortigen Bergmassiv Mulanje nicht mehr zurückgekehrt war. Es sollte die letzte Station einer einjährigen Weltreise sein, auf der der Ökonomie-Student mehr über die Ursachen globaler Armut erfahren wollte. Nach einigen Wochen intensiver Suche wurde Gabriel tot aufgefunden. In seinem dokumentarischen Drama Gabriel and the Mountain rekonstruiert Regisseur Fellipe Barbosa die Afrika-Reise seines guten Freundes und lässt uns an dessen Idealismus und arroganter Unvernunft gleichermaßen teilhaben.

Reisende Weltverbesserer

Der reisende Idealist, dem sein Freiheitsdrang mitunter zum Verhängnis wird, ist ein beliebter Stoff für Dramen, die fast immer auf (leider) wahren Begebenheiten beruhen. Man denke an Sean Penns Into the Wild (2007) über den Nonkonformisten Christopher McCandless, an Spuren (2013) über die australische Reiseautorin Robyn Davidson oder zuletzt an Greg McLeans Jungle (2017) mit Daniel Radcliffe in der Hauptrolle.

Die Hauptfiguren faszinieren, weil sie den Ausbruch aus dem urbanen Komfort und dem sicheren sozialen Gefüge wagen. Dabei stammen die jungen Reisenden zumeist aus wohlhabenden Familien, deren Lebensweise sie aber ablehnen. Dieser wollen sie einen eigenen auf Naturnähe, Antikapitalismus und Autarkie beruhenden Lebensentwurf entgegen setzen.

Gabriel and the Mountain

Gabriel (João Pedro Zappa)|©Damned Films

Auch in Gabriel and the Mountain haben wir es mit solch einem Idealisten zu tun, der zudem davon träumt, den ärmeren Ländern, die er bereist, helfen zu können. Was Barbosas Film aber von den angeführten Beispielen unterscheidet, sind seine nicht-fiktionalen Elemente. Barbosa hat Gabriels umfassende Dokumentation seiner Trips dazu genutzt, die Originalschauplätze in Kenia, Tansania, Sambia und Malawi aufzusuchen. Die Menschen, denen Gabriel einst begegnet ist, spielen sich selbst. Lediglich die Rollen von Gabriel und seiner damaligen Freundin Christina wurden von professionellen Schauspielern (João Pedro Zappa und Caroline Abras) übernommen.

Diese Vermischung von fiktionalen und nicht-fiktionalen Elementen mutet zu Beginn etwas seltsam an, nimmt aber im weiteren Verlauf eine unerwartete Natürlichkeit an. So berichten einige der Menschen, die sich hier selbst spielen, während des Geschehens aus dem Off über ihre Eindrücke von Gabriel und wie sie die Nachricht von seinem Tod aufnahmen. Auf diese Weise bleibt das tragische Ende von Gabriels Reisen stets präsent und unterstreicht den Wert der Momentaufnahme.

Ein Mzungu, aber kein Tourist

Was man Barbosas Film zudem zugute halten muss, ist die kritische Auseinandersetzung mit Gabriel. Er ist überzeugt davon, durch seinen Vorsatz nachhaltig und nicht-touristisch zu reisen, mit den Ländern und ihren Menschen eins werden und dabei auch noch Gutes tun zu können. So lädt er sich zu den Einheimischen, denen er begegnet, nach Hause ein. Er versucht nicht mehr als 3 Dollar pro Tag auszugeben und mit dem Rest des Geldes seine Gastgeber zu unterstützen.

Dass ihn seine afrikanischen Freunde trotzdem als Mzungu (Ausdruck für weiße Europäer) bezeichnen, wurmt ihn etwas. Seinen guten Absichten haftet auch eine gewisse Arroganz an. Dies wird vor allem in den Diskussionen mit seiner Freundin Christina deutlich, die ihn auf einen Teil seiner Reise begleitet. So scheint er etwa keinen Widerspruch darin zu erkennen, über ein touristisches Restaurant in Sambia die Nase zu rümpfen, aber etwas später am Boden zerstört zu sein, als ihm sein geplanter Bungee-Sprung verwehrt wird.

Afrika durch seine Augen

Barbosa lässt dem Zuschauer auf diese Weise die Freiheit, von Gabriel zu halten, was man will. Ihn für seinen Mut und seine Neugier zu bewundern, oder über sein etwas selbstzufriedenes Helferbewusstsein genervt die Augen zu rollen. Letzteres verhindert nicht, von den Orten, den Menschen und ihren Lebensumständen, die uns Gabriel and the Mountain näher bringt, beeindruckt zu sein und damit etwas mit dem verstorbenen Gabriel Buchmann zu teilen. Ein gelungenes und sehenswertes Andenken, das viele Menschen ungeachtet ihres eigenen Reisedrangs oder idealistischen Grades erreichen dürfte.

 

Gabriel and the MountainGabriel and the Mountain (Gabriel e a Montanha)

Brasilien / Frankreich / Kenia 2017

Regie & Drehbuch: Fellipe Gamarano Barbosa

Besetzung: Caroline Abras, João Pedro Zappa

132 Min. Gesehen auf dem Festival Around the World in 14 Films

culturshock-Wertung: 6/10

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