Filmkritik: Everybody Wants Some!!
Viel Kritikerlob und Auszeichnungen wie den Silbernen Berlinale-Bären für die Beste Regie durfte der amerikanische Regisseur Richard Linklater vor zwei Jahren für sein über 12 Jahre gefilmtes Coming of Age-Drama Boyhood einheimsen. Um den Eintritt ins Erwachsenenalter und die Suche nach einem sinnerfüllenden Platz im Leben geht es auch in seinem neuesten Film Everybody Wants Some!! Doch ein viel älterer Linklater-Film wirft über diese College-Komödie einen großen Schatten: Dazed and Confused von 1993 – mittlerweile als Kultfilm geliebt und hochgeachtet. Und in vielerlei Hinsicht immer noch sehenswerter als Everybody Wants Some!!
Der Zauber des letzten Schultags
Es mag unfair erscheinen, diese beiden Filme in direkten Vergleich zu setzen, doch es war Linklater selbst, der Everybody Wants Some!! als „spiritual sequel“, also als eine Art Fortsetzung im Geiste von Dazed and Confused ankündigte. Im letzteren ging es um einen Haufen von texanischen Teenagern am letzten Schultag im Jahr 1976, die den Abend mit Kiffen, Trinken, Cruisen verbrachten. Immer auf der Suche nach der idealen Party und in freudiger, teils ungewisser Erwartung eines langen Sommers, der ihren noch jungen Existenzen die entscheidende Wende geben könnte.
Da gab es den ‚Freshman‘ Mitch, der zu Beginn des Films noch von den älteren Schülern traditionell gedemütigt wurde, im Verlauf des Abends aber den sozialen Aufstieg zu den coolen Älteren schafft. Den Sportler Randall, der damit hadert, über den Sommer drogenabstinent zu leben, wie es der Coach von allen Spielern verlangt. Ein Intellektuellen-Trio, das sich darauf verständigt an diesem Abend endlich Spaß zu haben und eine der vielen Partys zu besuchen. Und – unvergesslich – den blonden, Schnauzbart tragenden Mittzwanziger Wooderson, der immer noch am liebsten mit Teenagern rumhängt, und dessen Catchphrase „Alright, alright, alright!“ Matthew McConaughey bis heute nachhängt. Dieses Gewusel aus unterschiedlichsten Figuren, die scheinbare Strukturlosigkeit der Erzählung und das passende Zeitkolorit samt großartigem Soundtrack schafften es, das flüchtige Lebensgefühl einer so hedonistischen wie verunsicherten Jugend einzufangen.
Unterwegs mit dem Freshman
Everybody Wants Some!! ist zeitlich dichtauf im Jahr 1980 situiert und beginnt mit einer Autofahrt zu den Klängen von „My Sharona“ von The Knack. Hinterm Steuer sitzt der junge Baseballspieler Jake (Blake Jenner), der sein Sportstipendium an einem texanischen College antritt. Als Pitcher für das College-Baseballteam ‚Texas Cherokees‘ darf er mit den anderen Spielern in einem Haus wohnen, in das er drei Tage vor Semesterbeginn eintrifft. Alkohol und Frauen sind im Sportlerhaus natürlich strengstens untersagt. Der Film lässt diese drei Tage, an denen gekifft, getrunken, gefeiert und massiv gebaggert wird, gemächlich Revue passieren.
Ohne Dazed and Confused vor Augen, hat alles den Anschein einer vorm Hintergrund der letzten Nachwehen der 70er spielenden, etwas müden College-Klamotte. Jakes Sportler-Kommilitonen sind nämlich in wohlfeile Stereotypen aufgeteilt – der charismatische Anführer Kenny, der nicht verlieren mag, der Batikshirt-tragende Kiffer Willoughby, das wortgewandte Schlitzohr Finnegan, der Redneck Billy, über dessen Stumpfsinn sich alle lustig machen. Hinzu kommen einige weitere blasse Figuren, deren gemeinsame Funktion es ist, ein Gemenge aus virilen, lauten und Sprüche klopfenden Sportlern darzustellen. Dem gegenüber steht der halbwegs beherrschte und gutaussehende Protagonist Jake, der die Tage vor Semesterbeginn damit verbringt, sich auf dem Campus nach unterschiedlichsten Daseinsformen umzusehen, sein charmantes Lächeln aufblitzen zu lassen und sich schließlich in die junge Kunststudentin Beverly (Zoey Deutch) zu verlieben.
Keine würdige Fortsetzung
Mehr Handlung gibt es nicht – und dies ist nicht mal ein Manko. Linklater will hier weniger eine Geschichte erzählen oder eine charakterliche Entwicklung aufzeigen, sondern wieder eine Stimmung konkretisieren, wie eben einst in Dazed and Confused. Wieder bemüht er seinen von Kritikern häufig gelobten ‚anthropologischen‘ Blick, lässt seine Figuren über widerstreitende Lebensansichten diskutieren, die Eigenheiten anderer beobachten und Typologien entwerfen. Doch der Funke will dabei einfach nicht überspringen. Es fehlt an Sympathieträgern, an Charme und dem entscheidenden Witz, der Everybody Wants Some!! zu mehr als einer Aneinanderreihung von lahmen Gags und guten Songs verhelfen würde – geschweige denn zum Status eines würdigen Nachfolgers für Dazed and Confused. Dessen Leistung bestand im Kreieren und Konservieren einer nicht greifbaren Flüchtigkeit und scheint einfach nicht wiederholbar.
Everybody Wants Some!!USA 2016 culturshock-Wertung: 5/10 |
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