Filmkritik: Booksmart
Kluge Streber hier, dumme Feierbiester dort – die High-School-Klischees von einst gelten nicht mehr in Olivia Wildes charmantem Regiedebüt Booksmart
Es ist der letzte Schultag und eigentlich hätte er für Molly (Beanie Feldstein, bekannt aus Lady Bird) und ihre beste Freundin Amy (Kaitlyn Dever) ein Triumphzug werden sollen. Jahrelang haben die beiden Streberinnen, die dieses Wort wohl nicht einmal als Beleidigung empfinden würden, ihre Freizeit lernend in der Bibliothek und auch ansonsten fernab ihrer feierwütigen Mitschüler verbracht. Nun wird Molly als Jahrgangsbeste die Abschlussrede an ihrer High School halten und nach dem Sommer an der Elite-Uni Yale studieren. Auch Amy verlässt die Schule mit einem Traumzeugnis und will vor dem Studium einige Zeit in Botswana an einem Entwicklungshilfeprojekt arbeiten.
Die Türen, die die beiden anvisiert hatten, stehen ihnen also offen und sie könnten mit Genugtuung hindurchschreiten – hätte Molly an diesem letzten Schultag nicht eine grausame Entdeckung gemacht: Erstaunlicherweise wurden auch viele ihrer vermeintlich dummen Mitschüler an Elite-Universitäten angenommen! Offenbar waren all die Opfer, die sie für ihren Erfolg gebracht hat (keine Partys, keine Jungs, keine Drogen) gar nicht nötig. Verbissen wie sie ist, will Molly dies auf sich und der darüber eher unbekümmerten Amy nicht sitzen lassen. Es gilt also, all den ihnen entgangenen Spaß an einem Abend nachzuholen. Und dies natürlich bestens vorbereitet.
Das gebrochene Versprechen
Mit dieser interessanten Prämisse kämpft Booksmart gleich gegen mehrere Klischees an, die über Jahrzehnte in amerikanischen High-School-Komödien präsent waren. Stets dominierte hier die Vorstellung einer von Popularität bestimmten Hackordnung an diesen Schulen. An deren Spitze stehen die Schönen, Wohlhabenden und Grausamen, häufig Cheerleader und Sportler, die nicht von großer Intelligenz gesegnet sind. Verächtlich blicken sie herab auf die Unscheinbaren und machen den schwächsten unter ihnen, meist hochbegabte Nerds, das Leben zur Hölle – ein Muster, das sich in Komödien dieses Schlages von Can’t Buy Me Love (1987) bis Girls‘ Club (2004) beobachten lässt.
Für erwachsene Zuschauer sind die Demütigungsszenen dieser Filme schwer zu ertragen, egal ob man sich in der Opfer- oder Täterrolle der eigenen Schulzeit wiedererkennt. Doch stets schwang in diesen Komödien ein gewisses Versprechen mit: Wenn sie alle erwachsen sind (was die Darsteller in diesen Teeniefilmen meist schon waren), werden sich die Rollen umkehren. Die Nerds von ehemals werden reich und berühmt sein, die hässlichen Entlein zu wunderschönen Schwänen und die fiesen Kids höchstens bedrückend langweilige Vorstadtexistenzen führen. Die Letzten werden die Ersten sein. Ein Versprechen, das auch Molly in Booksmart verinnerlicht hat, um sich zum größtmöglichen Erfolg zu treiben. Ein Versprechen, das auf von Stereotypen befeuerten Illusionen basiert. Denn die feiernden Jugendlichen in Booksmart sind weder dumm noch bösartig und Molly und Amy keineswegs schwach oder unattraktiv. Nur eben zwei junge Frauen, die ihren Ehrgeiz aus Unsicherheit mit einer Kampf- und Leidensmetapher unterfüttern mussten.
Feiern, bis die Freundschaft endet
Nach Mollys bösem Erwachen machen sich die beiden auf, allen zu zeigen, dass sie auch Spaß haben können. Doch bereits auf dem Weg zur Party eines Mitschülers, dessen Adresse sie nicht einmal kennen, geraten sie in allerlei Unvorhergesehenes. Die meisten dieser Situationen sind dank schneller Dialoge, gutem komödiantischen Timing und hoher Gagdichte auch wirklich lustig geraten. Die bislang als Schauspielerin bekannte Olivia Wilde hat den jungen Darstellern ihres Regiedebüts Freiheit zum Improvisieren gelassen, was sich positiv auswirkt.
Vor allem die Dynamik zwischen Molly und Amy wirkt in ihrer Übervertrautheit miteinander authentisch. Sie lenkt den Blick auf eine freundschaftliche Intensität, wie man sie wohl nur im gemeinsamen Erwachsenwerden erleben kann. Es ist ein Gespann, dem man gern zuschaut, gerade weil die Ambitionen und die politisch-liberale Gesinnung von Molly und Amy augenzwinkernd überzeichnet sind. So dient ihnen etwa ‚Malala‘, die von ihnen bewunderte feministische Aktivistin, als Kennwort zur Folgeleistung jedweden Gefallens, den sich eine von ihnen erbittet. Zweimal wird dieses Kennwort im Verlauf von Booksmart ausgesprochen und die Freundschaft der beiden im Anschluss daran arg strapaziert.
Keine Tiefe, aber tatsächlich Spaß
Obwohl Booksmart viele Klischees gängiger High-School-Komödien meidet und sogar aufhebt, steuern wir gegen Ende doch auf eine typische Lehre über den Wert von Freundschaft und unsinniges Schubladendenken zu. Diese Moral ist wie in Komödien solcher Art nicht gerade tiefgründig. Doch wirkt sie hier aufrichtig und verdient, weil die beiden Protagonistinnen zu so sympathischen wie fehlbaren Figuren ausgeformt und von zwei begnadeten Jungschauspielerinnen verkörpert werden. Neben ihnen tragen auch viele schrullige Nebencharaktere zum stimmig-lustigen Eindruck von Booksmart bei, etwa Friends-Star Lisa Kudrow sowie die Saturday Night Live-Veteranen Will Forte und Jason Sudeikis. Damit schaffen die Drehbuchautorinnen und Regisseurin von Booksmart das, was sie sich vorgenommen haben: Eine Jugendkomödie, die Spaß macht – mehr Coming-of-Age als Teenie-Comedy und eine sehenswerte Ode an Mädchenfreundschaften.
BooksmartUSA 2019 culturshock-Wertung: 7/10 |
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