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FFF2018: Düsteres und Desaströses

Nachdem Jordan Peeles Horror-Groteske Get out in diesem Jahr für den Oscar nominiert war, nachdem das wirklich gruselige Familiendrama Hereditary diesen Kinosommer in aller Munde war und sich die Leute wie bescheuert auf Luca Guadagninos Remake von Dario Argentos Suspiria freuen, müsste man meinen, dass mehr Menschen sich dem Horrorgenre öffnen, ihm offener und mit weniger Vorurteilen begegnen.

Fantasy Filmfest 2018

Und tatsächlich: Die Vorstellungen des Fantasy Filmfest werden (zumindest in Berlin) seit Jahren immer reger besucht. Zu Recht, denn hier liefen die Meilensteine dessen, was aktuell als ‚Prestige Horror‘ gepriesen wird: doppelbödige, mit billigen Schockeffekten sparende und sich dem subtilen Grauen widmende Filme wie The Witch und It Comes at Night. Oder düster-schräge Komödien wie Colossal und Swiss Army Man. Und manchmal auch Filme, die sich nirgendwo und überall einordnen lassen, wie mein persönlicher Fantasy Filmfest-Liebling A Girl Walks Home Alone at Night.
Und doch gibt es sie noch, die Rückfragen, was für Filme auf dem Fantasy Filmfest gezeigt würden. „Fear Good Movies“, der Claim der Festivalmacher, lässt die Fragezeichen in den Gesichtern nicht unbedingt verschwinden, sondern sich zu Abscheu oder eben Angst wandeln – eine Angst, die die Fragenden keinesfalls steigern wollen.

Gern würde ich diesen Leuten wie in den vergangenen Jahren sagen, dass hier auch ganz harmlose Filme gezeigt werden, die sehr viel Spaß machen. Aber, wenn ich das diesjährige Programm durchblättere, sind es doch die kompromisslos düster, hoffnungslos und brutal wirkenden Werke, die am spannendsten scheinen. Also, wappnet euch, hier ist meine persönliche Highlight-Vorschau des diesjährigen Fantasy Filmfest:

Mandy

Die Eröffnungsfilme des Fantasy Filmfest sind meistens sehenswert, so auch in diesem Jahr: Regisseur Panos Cosmatos serviert mit Mandy eine gewagte Horror-Romanze, deren Farbpracht und akustische Gewalt einen sofort mitreißen. Zunächst wird das Liebesidyll zwischen den zwei gestandenen Charakteren Mandy Bloom (Andrea Riseborough) und Red Miller (nun ja, Nicolas Cage) gefeiert, die Anfang der 80er zurückgezogen in den Shadow Mountains in Kalifornien leben. Sie liebt Fantasy-Romane, Heavy Metal und Spaziergänge. Er liebt sie, voll und ganz. Fast könnte man einfach mit den beiden in Cosmatos‘ körnig-romantischen Bildern schwelgen, wenn nicht plötzlich eine Gruppe von New Age-Kultanhängern auftauchen und Mandy zu ihrem neuesten unfreiwilligen Mitglied erklären würden. Was dann folgt, beschwört in Red Rachegelüste auf, die wohl nur die Spielwut eines Nicolas Cage würdig vertreten kann. Auch wenn die zweite Hälfte von Mandy ein wenig die grandiose künstlerische Vision der ersten verrät: ein gelungener Auftakt.

Climax

Dass der französisch-argentinische Regisseur Gaspar Noé wenig von Kompromissen hält, wissen wir spätestens seit den ausufernden Gewaltdarstellungen des rückwärts erzählten Dramas Irreversibel (2002). Kompromisse scheinen auch die Charaktere in seinem aktuellen Film Climax nicht zu kennen: Eine Gruppe von 21 jungen, talentierten Tänzern und Tänzerinnen, die zum Auftakt ihrer internationalen Tournee ein letztes Mal an der Choreographie feilen und dann ausgelassen feiern wollen. Doch irgendwer hat die Sangria, die sich hier alle einflößen als gäbs kein Morgen, mit LSD versetzt.

Bald schon wird nicht nur getanzt, sondern misstraut, beschuldigt und sich in alle Richtungen hin ausgelebt. In nur 15 Tagen mit professionellen Tänzern und Fokus auf ihre großartigen Performances gedreht, versprüht Climax eine rauschhafte Energie, die beim diesjährigen Filmfestival in Cannes von der Kritik gefeiert wurde. Noé, der es nach eigener Aussage gewöhnt ist, dass ein Viertel der Zuschauer seine Filmvorführungen angeekelt verlassen, gibt das zu denken. Immerhin war der Ruf als Skandalregisseur hart erkämpft.

Under the Silver Lake

Ebenfalls aus Cannes trudelt auf dem Fantasy Filmfest das Drama Under the Silver Lake ein, auf das gespannt sein dürfte, wer auch David Robert Mitchells Vorgänger It Follows kennt und schätzt. Die Meinungen zu Mitchells Drama um den ziellosen Sam (Andrew Garfield), der nach einer kurzen Begegnung das Verschwinden um seine schöne Nachbarin Sarah (Riley Keough) aufklären will, gingen nach der Weltpremiere in Cannes weit auseinander. Die einen sahen in Under the Silver Lake ein Paradebeispiel für ödes, prätentiöses Style-over-Substance-Kino, während andere es als originelles Neo-Noir-Meisterwerk feierten. Ein Überraschungsei also, das aber mindestens stilistisch einiges zu bieten haben wird, wie der Trailer zeigt.

Bomb City

Substanz bietet in jedem Fall das True Crime-Drama Bomb City, das sich mit dem gewaltsamen Tod des Punks Brian Deneke 1997 in Amarillo, Texas auseinandersetzt. Regisseur Jameson Brooks, der mit Bomb City sein Filmdebüt vorlegt, zeichnet hiermit einerseits nach, wie sich die Stimmung in der konservativen texanischen Gemeinde in den Tagen vor Denekes Tod gegen die Punks aufheizt. Andererseits soll Bomb City auch sensiblen Einblick in eine Subkultur gewähren, die nach Denekes Tod und der als harmlos empfundenen Strafe für den Täter nachhaltig in Aufruhr gebracht wurde.

Terrified

Auf Superlative bezüglich des Gruselfaktors eines Horrorfilms sollte man meiner Erfahrung nach nicht viel geben. So wurde The Conjuring 2002 nicht nur als besonders origineller Spukfilm sondern auch als ausgesprochen angsteinflößend angepriesen – was meines Erachtens beides nicht zutraf. Und doch, wenn man auf die gleich dreifache Inhaltsbezeichnung via Icons (Scary / Scary / Scary) im Programmheft des Fantasy Filmfest stößt, merkt man schon mal auf. Ein Blick in den Trailer für den argentinischen Schocker Terrified und in die bisherigen Werke des Drehbuchautors und Regisseurs Demián Rugna lässt vermuten, dass hier jemand wirklich etwas von dem schleichenden und ins Bodenlose führenden Grauen versteht. Ich stelle mich jedenfalls auf schlaflose Nächte ein.

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