Film

Filmkritik: It Follows

David Robert Mitchells Horrorfilm It Follows begeisterte nicht nur beim letztjährigen Cannes-Filmfestival die Kritiker, sondern avancierte seit seinem US-Start Ende März auch zum Publikumsliebling. Mitunter wird er dabei als ähnlich ‚overhyped‘ wie der australische Low Budget-Schocker Der Babadook betrachtet. Doch It Follows ist nicht unbedingt die Genreperle, als die er verkauft wird, sondern eine rätselhafte Coming of Age-Geschichte, die unter die Haut geht.

Müßiggang im Vintage-Vorort

Das Setting von It Follows wirkt vertraut und fremd zugleich. Der Film spielt in einem Detroiter Vorort heutiger Zeit. Zugleich ist er aber in einem populären Vintage-Mix ausgestattet, der den Genre-Fan schnell an Carpenters Halloween oder Wes Craves Nightmare on Elm Street denken lässt. Die Jugendlichen, die vom Bösen eingeholt werden, leben mit 50er Jahre-Filmen in den Tag hinein, tragen Moonwashed Jeans und fahren Autos aus den 60ern. Nur das gelegentliche Aufblitzen von Smartphones holt uns zurück in die gegenwärtige Zeit, in der dieser Film letztlich spielt.

Und diese Gegenwart ist für die Hauptfigur Jay Height (Maika Monroe) recht beschaulich: Die 19-Jährige hat die High School hinter sich und lebt mit ihrer jüngeren Schwester Kelly (Lili Sepe) und ihrer stets abwesenden Mutter zusammen. Wenn sie nicht gerade an einem Seminar am örtlichen Community College teilnimmt, lebt Jay in den Tag hinein und plätschert im Pool, während der pubertierende Nachbarjunge sie begafft. Seit einiger Zeit trifft sie sich mit dem ein paar Jahre älteren Hugh, in den sie sich langsam verliebt. Eines Abends schlafen sie das erste Mal miteinander, auf dem Rücksitz von Hughs Ford. Doch während Jay nach dem Sex noch darüber sinniert, was für eine Erwartungshaltung bei gleichzeitiger Ziellosigkeit man als Jugendliche doch hatte, betäubt Hugh sie mit Chloroform.

It Follows Horror Filmkritik Rezension

Jay und Hugh beim Rendezvous

Verdunklung der Leichtigkeit

Ab hier beginnt Jays Alptraum. Als sie wieder aufwacht, eröffnet ihr Hugh, dass er ihr beim Sex eine Art Fluch übertragen hat. Von nun an werde sie von gruseligen Gestalten verfolgt, die nur sie sehen kann. Sie sind langsam, aber unaufhaltbar. Jay dürfe sich keinesfalls von ihnen berühren lassen, denn das bedeute den sicheren Tod. Der einzige Weg, sich dieses Fluchs zu entledigen, sei, erneut mit jemandem zu schlafen. Wird jedoch diese Person von einem der übernatürlichen Wesen getötet, fällt der Fluch wieder zurück auf sie.

Diese Grundidee von It Follows mag seltsam, ja auch ein wenig lächerlich anmuten – eine dämonische Geschlechtskrankheit, der man sich ganz im Stil der verhassten Kettenmails nur durch Weitergabe entledigen kann. Doch die ersten Heimsuchungen Jays durch diese übernatürlichen Wesen, die als Fremde oder auch vertraute Menschen erscheinen können, sind erschütternd gruselig. Langsame Kamerafahrten, sich voyeuristisch heranschleichende Zooms und ein nervenzerfasernder Synthie-Soundtrack verleihen Jays Alptraum eine bedrohliche, packende Atmosphäre. Bei ihren Fluchtversuchen sind Jay ihre Schwester Kelly und deren Freunde Yara (Olivia Luccard) und Paul (Keir Gilchrist) behilflich. Und auch Greg (Daniel Zovatto), ein ehemaliger Mitschüler und Ex-Freund von Jay, schließt sich der Gruppe bei der Suche nach dem Ursprung des Fluchs und einer Lösung an.

Und überall der Tod

Schnell könnte man den Eindruck gewinnen, dass It Follows lediglich ein Teenie-Slasher ist, der sich in ein etwas extravaganteres Gewand gehüllt hat. Doch von Anfang an verströmt David Robert Mitchells Film eine Aura der Vergänglichkeit und des Verfalls, die weit über eine Genre-Spielerei hinausgeht. In den Gesprächen zwischen Jay und ihren Freunden, in dem sie umgebenden Sinnbild des urbanen Niedergangs (Detroit) und in den literarischen Zitaten, die den Film durchziehen, ist der Tod als einzige Gewissheit stets präsent. Und so lauert auch hinter der Bedrohung durch die Jay verfolgenden, gruseligen Wesen eine noch viel größere Angst – vor der Ernüchterung, dem Durchleben der Erfahrungen, die uns zu Erwachsenen werden lassen, dem Verlust aller Optionen, dem Überschreiten der Blüte. It Follows verknüpft damit bekannte Coming of Age-Motive mit Horrorelementen. Ein Ansatz, der nicht völlig neu ist, aber selten in einer so schaurig-schönen Atmosphäre aufgegangen ist.

It Follows Horror Filmkritik Rezension

It Follows

Animal Kingdom, USA 2014

Regie & Drehbuch: David Robert Mitchell

Hauptdarsteller u.a.: Maika Monroe, Keir Gilchrist, Daniel Zovatto

100 Min. Deutscher Kinostart: 9. Juli 2015

culturshock-Wertung: 8/10

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