Film

Filmkritik: A Girl Walks Home Alone At Night

FANTASY FILMFEST NIGHTS 2015. Ein Titel, der mit Erwartungen spielt, für einen Film, der mit einer einzigartigen Genremischung überrascht: Ana Lily Amirpours A Girl Walks Home Alone At Night ist eine Vampir-Romanze mit Western- und Horrorelementen, die in Kalifornien gedreht wurde, aber in einer fiktiven iranischen Stadt spielt und in welcher ausschließlich Farsi gesprochen wird. In Schwarz-Weiß und mit Klängen von iranischen Balladen, Spaghetti Western-Symphonien und bekannten Indie Rock-Nummern unterlegt. Eine krude Mischung, mag man meinen. Aber von diesem Urteil ist weit entfernt, wer gesehen hat, wie stimmig sich all diese Elemente hier zu einer anmutigen Liebesgeschichte zusammenfügen.

Ein hoffnungsloser Romantiker

Der junge Arash (Arash Marandi) fristet ein hoffnungsloses Dasein in der Geisterstadt Bad City. In der eindrucksvollen Anfangssequenz sieht man ihn durch eine bescheidene Wohnsiedlung, an scheinbar stillgelegten Industriebetrieben und einem Kraftwerk vorbei spazieren, bevor er schließlich eine Brücke überquert, unter der sich ein Graben voller Leichen auftut. Er lebt mit seinem drogenabhängigen und spielsüchtigen Vater zusammen, die Mutter ist verstorben. Er arbeitet als Hausangestellter bei einer reichen Familie und hat sich in deren verwöhnte Tochter Sheydah verliebt, die ihn nicht ernsthaft als Freund in Erwägung zieht, aber sich gern von ihm umgarnen lässt. Arashs einziger Trost ist sein Auto – ein Ford Thunderbird, für den er jahrelang gespart hat. Und auch dieser wird ihm schließlich genommen, als der rücksichtslose Dealer Saeed die Schulden von Arashs Vater einfordert. Doch all dies ändert sich, als eine rätselhafte Frau im Tschador die Szenerie betritt.

A Girl Walks Home Alone At Night

Blutsaugerin ohne Namen

Die Namenlose (Sheila Vand) lebt allein in einem winzigen Haus, dessen Wände mit Postern ihrer Lieblingsmusiker aus den 80ern tapeziert sind. Sie tanzt und schminkt sich, während ihre Lieblingsplatte im Hintergrund läuft und verhüllt schließlich ihr Haar und ihre zierliche Gestalt unter einem schwarzen Umhang. Dann folgt der Beutezug, wobei sie manch einen verschont, anderen hingegen nicht nur ihr Blut und Leben, sondern auch ihren wertvollsten Besitz nimmt. Ihr Weg kreuzt sich schließlich mit dem von Arash, der Vertrauen zu ihr fasst, ohne zu ahnen, was für ein Wesen sie ist. Beide kommen sich so nah, dass unklar wird, wer von ihnen hier in größerer Gefahr ist.

A Girl Walks Home Alone At Night

Die iranisch-amerikanische Regisseurin Amirpour hat für A Girl Walks Home Alone At Night eine einzigartige Welt aus teilweise gegensätzlichen Stilen visualisiert, die schlichtweg schockierend schön ist. Die Liebesgeschichte, die sich vor diesem gelungenen Hintergrund auftut, ist mit sehr viel Sinn fürs Atmosphärische erzählt. So gibt es eine denkwürdige Szene, in der sich Arash der Vampirin in ihrem Zimmer zeitlupenartig und wortlos nähert, während sie Death von den White Lies auf ihrem Plattenspieler auflegt. Es entsteht dabei die Art von Spannung, die einen Liebesfilm erst sehenswert macht, wobei zugleich mit Genreerwartungen gespielt wird, da man nicht weiß, ob Arash in diesem Moment zum Liebhaber oder zum Opfer wird. Amirpours Film ist voller solcher magischer Momente, die zusammen eine rauschhafte, melancholische Symphonie des Grauens ergeben.

A Girl Walks Home Alone At NightA Girl Walks Home Alone At Night

Vice Films, USA 2014

Regie & Drehbuch: Ana Lily Amirpour

Hauptdarsteller: Sheila Vand, Arash Marandi, Mozhan Marnò

99 Min. Zu sehen bei den Fantasy Filmfest Nights 2015

Deutscher Filmstart: 23. April 2015

culturshock-Wertung: 9/10

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