Filmkritik: Score – Eine Geschichte der Filmmusik
Den „Herzschlag des Films“ nennt ihn Regisseur James Cameron, von der „Seele des Films“ spricht Filmhistoriker Leonard Maltin. Und dann kommt Musiklegende Quincy Jones um die Ecke und bringt zynisch lächelnd auf den Punkt, was der Film-Soundtrack in kommerzieller Hinsicht ist: „Emotion Lotion.“ Die Wahrheit liegt wie so oft wohl irgendwo dazwischen.
Natürlich soll die eigens für den Film komponierte Musik das Kino-Publikum mitreißen, es emotional engagieren, kurzum: es manipulieren. Doch dass dabei auch große Kunst entstehen kann und wir Soundtracks fernab ihrer eigentlichen Funktion wertschätzen, ist unbestreitbar. Matt Schraders durch eine Kickstarter-Kampagne finanzierter Dokumentarfilm Score käme also wie gerufen, um die Geschichte des Film-Soundtracks und seine heutigen Besonderheiten zu ergründen – wäre er nicht selbst solch ein Fan von Filmmusik.
Vom Übertöner zum Mitreißer
Schraders Ansinnen ist es zunächst, das Publikum mit der Geschichte der Filmmusik vertraut zu machen. Er lässt diese von den zahlreichen, für Score interviewten Komponisten nacherzählen – von der keineswegs stillen Stummfilmzeit, in der das Rattern der Projektoren von Live-Pianisten und -Orchestern übertönt wurde bis zum ersten Soundtrack-Meilenstein von 1932: Max Steiners Komposition zu King Kong und die weiße Frau, in dem erstmals auch Dialoge mit Musik unterlegt wurden.
Diese Nacherzählung der Entwicklung des Filmsoundtracks in Hollywood wird mit Aufnahmen aus der Gegenwart der inzwischen sehr ausdifferenzierten Produktion von Soundtracks unterbrochen. Wir sehen dem Komponisten Marco Beltrami bei der Arbeit an dem von Windspielen geprägten Soundtrack zum Neo-Western The Homesman (2014) zu oder lassen uns von James Cameron die ‚Spotting Session‘ erklären: das Treffen, in dem der Regisseur dem Komponisten die Rohfassung des Films präsentiert, die letzterer schließlich mit seiner Musik abrunden soll.
Diese Nacherzählung der Entwicklung des Filmsoundtracks in Hollywood wird mit Aufnahmen aus der Gegenwart der inzwischen sehr ausdifferenzierten Produktion von Soundtracks unterbrochen. Wir sehen dem Komponisten Marco Beltrami bei der Arbeit an dem von Windspielen geprägten Soundtrack zum Neo-Western The Homesman (2014) zu oder lassen uns von James Cameron die ‚Spotting Session‘ erklären: das Treffen, in dem der Regisseur dem Komponisten die Rohfassung des Films präsentiert, die letzterer schließlich mit seiner Musik abrunden soll.
Um die 30 Komponisten kommen in Score zu Wort, manche nur sekundenweise, wie Alexandre Desplat (Isle of Dogs), während andere wie Tom Holkeborg (verantwortlich für die ohrenbetäubenden Klänge von Mad Max: Fury Road) etwas breiter Auskunft geben. Mit Rachel Portman und Deborah Lurie tauchen zumindest zwei Komponistinnen dieses von Männern dominierten Gewerbes auf.
Fokus auf das Meisterhafte
Insgesamt drängt sich der Verdacht auf, dass Regisseur Schrader wirklich jede Gelegenheit zum Gespräch mit einem Filmkomponisten dankbar angenommen hat, um viel Material anzuhäufen, das ihm dann schon eine Richtung geben würde. Um so enttäuschender ist es bei dieser Vielstimmigkeit dann aber, dass sich Schrader sehr schnell auf die Titanen der Filmmusik einschießt. Im historischen Nachzeichnen der Entwicklung der Filmmusik gibt es lange Exkurse zu Bernard Herrmann (Citizen Kane, Vertigo) und John Williams (Der weiße Hai, Star Wars, Superman). Reihenweise schwärmen dann die Gegenwartskomponisten von diesen großen Vorbildern, wobei es einigen wenigen gelingt, die Besonderheit ihrer Kompositionen auf den Punkt zu bringen. Schließlich kommen wir unvermeidlich zur „Hans Zimmer-Ära“. Der große Zimmer gibt selbst bereitwillig und angenehm demütig Auskunft zu seinem Schaffensprozess und seinem Blick auf die jüngsten Entwicklungen in der Filmmusik, während sein Fluch der Karibik-Thema von seinen Kollegen mit Led Zeppelin-Stücken verglichen wird.
Ein Leidenschaftsprojekt
An solchen Stellen merkt man diesem Film leider an, dass er mehr von Fantum und Bewunderung als von forschem Wissensdrang getrieben ist. Matt Schrader hat aus seinen zahlreichen Gesprächen mit Komponisten eine ungeheure Fülle an Material zusammengetragen, aus der er einen recht kurzweiligen geschichtlichen Abriss zum Film-Soundtrack zusammenfügen konnte. Aber wiederholt wird schmerzhaft deutlich, wie viel mehr drin gewesen wäre, wenn er den ein oder anderen Akzent gesetzt hätte.
Da wären zum Beispiel die Anspielungen von einigen Komponisten auf die enorme Erwartungshaltung der Auftraggeber bei Blockbuster-Produktionen. Oder die kurz angesprochene Tatsache, dass manch fertig komponierter Soundtrack vom Regisseur oder Produzenten schließlich ganz verworfen wird. Etwas mehr Recherche hierzu hätte noch tiefere Einblicke in eine Branche zwischen routinierter Auftragsarbeit und dem Streben nach kreativer Erfüllung gewähren können. Eine Branche, in der man Hans Zimmer zufolge mit jedem Soundtrack Teile seines Innersten entblößt. Einer der interessanteren Momente dieses Dokumentarfilms, der mehr schwelgen als wissen möchte.
Score – Eine Geschichte der FilmmusikUSA 2017. Länge: 93 Min.Regie & Drehbuch: Matt SchraderMit Auftritten von: Marco Beltrami, Hans Zimmer, Moby, Quincy Jones, Thomas Newman, Trent Reznor u.v.m.DVD-Start: 9. Mai 2018Erschienen auf DVD bei: NFP SUBMARINE DOKSculturshock-Wertung: 5/10 |
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