Film

Filmkritik: Maria Magdalena

Der kitschige Trailer-Zusammenschnitt lässt nichts Gutes vermuten. Aber hinter Maria Magdalena von Garth Davis steckt deutlich mehr: Eine kluge Betrachtung der (platonischen) Beziehung zwischen Jesus von Nazareth und Maria Magdalena, der lange Zeit verfemten und unterschätzten ersten Frau unter seinen Jüngern. Zudem gelingt diesem Film eine nachdenkliche Auseinandersetzung mit (Irr)Glauben und Deutung religiöser Lehren im Spannungsfeld von Diskriminierung und Revolutionsversessenheit. Ein Film für unsere Zeit – und das ohne plumpe Bedienung aktueller Hashtag-Ideologien.

Maria Magdalena

Maria (Rooney Mara) beim Knüpfen eines Fischernetzes

Pionierin, Vertraute, Beraterin

Man könnte sich darüber ärgern, dass in einem Film über Maria Magdalena bereits nach fünfzehn Minuten Jesus seinen Auftritt hat – als hätte ihr Leben zuvor kaum Relevanz. Doch diese erste Begegnung zwischen Maria und Jesus offenbart das doppelte Ansinnen von Maria Magdalena: Einen neuen, aufgeklärten Blick auf die historische und biblische Maria Magdalena zu werfen, die von der katholischen Kirche einst zur büßenden Sünderin degradiert wurde, und zugleich Jesus durch ihre Augen zu betrachten.
Wie sie hören wir in dieser ersten Begegnung Jesus‘ sanfte Worte, bevor wir ihn zu Gesicht kriegen: Einen von der Menschheit so begeisterten wie an ihr leidenden Mann, mit wirrem Haar und intensivem (fast irrem) Blick. Schnell stellt er fest, dass Maria weder von Dämonen besessen ist, noch anmaßend in ihrem Willen zur Selbstbestimmung. Er ermutigt sie, ihren Weg zu gehen. Und nachdem sie ihn und seine Jünger bei Predigten und Taufen beobachtet, beschließt sie, dass dieser Weg an seiner Seite beginnen muss.
Maria Magdalena

Jesus (Joaquin Phoenix) tauft Maria

Im Folgenden zeigt der Film Maria als einzige Frau unter Jesus‘ Jüngern. Mit ihnen wandert sie durch die Hügel Judäas und Galiläas, wird Zeugin der Wunder, die Jesus auf dieser Reise vollbringt (für strenge Atheisten wird’s ab hier unangenehm) und seiner wachsenden Anhängerschaft. Doch bei der Zeugenschaft allein bleibt es nicht. Maria wird als Jesus‘ Vertraute porträtiert, die einen ganz eigenen Zugang zu seinen Worten und Lehren findet und wiederum Einfluss auf ihn hat. So ist es Maria, die Jesus quasi eine neue weibliche Zielgruppe für seine Predigten eröffnet. Das Band zwischen Maria und Jesus wird von den übrigen Jüngern kritisch beäugt, allen voran Petrus (Chiwetel Ejiofor). Wie gefährlich dieser nach außen friedvoll erscheinende Kampf um die Deutungshoheit über seine Worte ist, wird deutlich, als sich die Gruppe in ihrer finalen Destination Jerusalem einfindet. Hier eskaliert Jesus‘ Protest gegen die religiösen Obrigkeiten.

Aktuell, aber nicht modern

Dies alles wird in Maria Magdalena betont zurückhaltend und sanft bebildert, mit einer gedämpften, aufs Natürliche setzenden Farbpalette und untermalt vom gefühlvollen aber nicht allzu emphatischen Soundtrack von Hildur Gudnadóttir und dem vor kurzem leider verstorbenen Jóhann Jóhannsson. Solche Elemente sowie das bedachte Spiel von Mara und Phoenix fügen sich zusammen zu einem empfindsamen Drama. Dieses strotzt zwar vor bedeutsamen Dialogen, aber weiß dabei religiösen Kitsch zu vermeiden. So sind es beispielsweise weniger die altbekannten Details von Jesus‘ Kreuzigung, mit denen Maria Magdalena auftrumpft, sondern subtile Blicke und Gesten, die die ganze Bandbreite der historisch-gesellschaftlichen und religiösen Problematik thematisieren.
Parallelen zu heutigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen braucht man in Maria Magdalena nicht lange zu suchen. So könnte man in diesem Film ein Vehikel für die aktuell in vielen Hashtags und Bewegungen kulminierende Forderung nach einer starken weiblichen Präsenz in Fiktionen sehen. Dass dieser Film von Harvey Weinstein mitproduziert wurde, ist aber nicht das einzige, was solch einer Instrumentalisierung von Maria Magdalena für Prophezeiungen wie „The Future is Female“ im Wege steht. Es fehlt ihm dafür an der nötigen Plumpheit und Einfältigkeit in seiner Aussage. Maria Magdalena besticht stattdessen durch Differenziertheit und einer Aufforderung zum gegenseitigen Verständnis. Letztere äußert sich vor allem in der Darstellung einer platonischen, auf gegenseitigem Respekt und tiefer Verbundenheit fußenden Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau. Soll es auch heut noch geben.

 

 

Maria MagdalenaMaria Magdalena (Maria Magdalene)

USA/Großbritannien/Australien 2018

Regie: Garth Davis. Drehbuch: Helen Edmundson, Philippa Goslett

Besetzung: Rooney Mara, Joaquin Phoenix, Chiwetel Ejiofor, Tahar Rahim, Sarah-Sofie Boussnina u.a.

Länge: 120 Min.

Kinostart Deutschland: 15. März 2018

Culturshock-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

 

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