Filmkritik: La La Land
Fast könnte man bedauern, dass dieser Film kürzlich mit sieben Golden Globes überhäuft wurde und daher auch als Favorit ins Rennen um die Oscars geht. Denn auf die Würdigung folgt für gewöhnlich der Beifall, dann der Hype auf allen Kanälen, dann die Behauptung der Überbewertung, des ‚overselling‘. Und zuvor werden vermutlich noch kritische Stimmen erklingen, die diesem verträumten Musical-Film vorwerfen, er sei inhaltlich nicht von Belang, rückwärtsgewandt und ein zu verachtendes Stück Weltfluchtkino made in Hollywood. Vorwürfe, die ungerechtfertigt wären, denn La La Land verbirgt hinter seiner leichtfüßigen Fassade ausgezeichnete Arbeit auf allen Ebenen des Filmemachens. Und eine Huldigung an eine Kernkompetenz des Kinos: die Euphorisierung.
Und dies ist gerade mal der dritte Spielfilm des 31-jährigen Regisseurs Damien Chazelle. Vor knapp zwei Jahren schuf er mit Whiplash ein vielbeachtetes Drama über einen unerbittlich nach Exzellenz strebenden und an seinem sadistischen Lehrer scheiternden Jazzdrummer. Mit dem Psycho-Thrill von Whiplash mag La La Land auf den ersten Blick nichts gemein haben, aber ein Motiv ist in beiden Filmen präsent: die Liebe zum klassischen Jazz. Dieser ist der Jazzpianist Sebastian (Ryan Gosling) hoffnungslos verfallen, weshalb wir ihn zu Beginn des Films dem vor kurzem geschlossenen Jazzclub nachtrauern sehen, in dem er bis vor kurzem gearbeitet hat. Mit gebrochenem Herzen und tiefer Verachtung betrachtet er, was aus seinem Club geworden ist: ein greller Tapas- und Samba-Schuppen.
Während sich in seiner Wohnung in L.A. unbezahlte Rechnungen zwischen Jazz-Memorabilia stapeln, hetzt die junge Mia (Emma Stone) von ihrem existenzsichernden Job als Barista zu kurzfristig anberaumten Castings und anschließend enttäuscht in ihre Wohnung, die sie sich mit drei weiteren avancierenden Schauspielerinnen teilt. Aus einer Kleinstadt in Colorado ist sie nach L.A. gekommen, um die Leinwand zu erobern. Aber sie schafft es nicht mal, kleinste Nebenrollen zu ergattern. In dieser Phase des gefühlten Scheiterns kreuzen sich Mias und Sebastians Wege zweimal auf uncharmante und lustige Weise. Aber nach dem dritten Mal und einem reizenden Gesangsduett finden sie zueinander.
Die Arbeit hinter der Mühelosigkeit
Selbst entschiedene Musicalfilm-Muffel können bei dieser Szene schwach werden, die wie alle anderen Musical-Nummern des Films in einer einzigen Einstellung mithilfe einer mal gleitenden, mal über das Setting hinwegfegenden Steadicam eingefangen wurde. Die satten Farben, gelungene, unaufgeregte Choreographien und passende Songzeilen tragen ihr übriges zur Verzauberung bei. Durch die scheinbar mühelosen Darbietungen lässt sich kaum erahnen, wie viel Vorarbeit für diesen Film geleistet werden musste. Seit 2006 hat Chazelle gemeinsam mit dem Komponisten Justin Hurwitz an der Idee für La La Land gefeilt. Es sollte ein in der Gegenwart spielender Musical-Film mit dem Flair von Klassikern wie Jacques Demys Die Regenschirme von Cherbourg (1964) werden. Ein Wagnis, wenn man bedenkt, wie schnell eine Überführung dieses von naiver Hochstimmung beseelten Genres in unsere abgeklärte Gegenwart deplatziert wirken kann.
Dass dies mit La La Land nicht der Fall ist, hat Chazelle zum einen den engagierten Hauptdarstellern Ryan Gosling und Emma Stone zu verdanken. Diese standen schon in Crazy Stupid Love (2011) und Gangster Squad (2013) gemeinsam vor der Kamera und exerzieren hier wieder glaubhaft und unaffektiert eine zur Liebe werdende Romanze durch. Dabei lassen sie den Zuschauer L.A. aus der Perspektive zweier Frischverliebter entdecken, was uns atemberaubend schöne Settings beschert.
Der Schuss Melancholie
Zum anderen greift Chazelle in diesem Film die beiden Sehnsuchtsmotive Liebe und Selbstverwirklichung nicht nur auf, sondern knüpft sie aneinander und mischt dem ganzen genügend Bitteres bei, damit La La Land sich nicht in klebriger Süße verliert. So sehr sich Mia und Sebastian zunächst an ihrer Beziehung erfreuen und sich gegenseitig in ihren Plänen unterstützen, kommt es bald zu Spannungen. Sebastian wird, entgegen seiner radikalen Befürwortung des traditionellen Jazz, Band-Mitglied in einer modernen Jazz-Kombo wird. Unterdessen scheitert Mia weiter bei Castings und einem selbst verfassten Solo-Projekt. Die Realität lugt in Form unterschiedlicher Karriere-Entwicklungen um die Ecke und bedroht ihre Vorstellung, alle privaten und beruflichen Ziele gemeinsam erreichen zu können.
Damit wandelt sich die Euphorie von La La Land in eine Melancholie, die ansatzweise schon von Beginn an präsent war. Schon mit der imposanten Eröffnungsszene wurde L.A. sowohl als Stadt der Hoffnungen als auch der geplatzten Träume anvisiert. Während eines Staus auf dem Freeway steigen die Fahrer aus ihren Wagen und stimmen einen Song darüber an, wie sie mit großen Erwartungen alles hinter sich gelassen haben, um sich an diesem Ort Ruhm und Ehre zu erarbeiten. Und so fröhlich das Lied auch ist, so grell die Kostüme, so blendend der Sonnenschein, wird man zugleich von der Masse an Schauspielanwärtern erschlagen. Sie alle beschwören unisono den gleichen Traum herauf, der nur für einen winzigen Teil Realität werden kann. La La Land vermag es, diesen Moment der Träumerei ebenso wie den ihrer Erfüllung oder den ihres Zerbrechens zu feiern. Und dies beflügelt und berührt zugleich.
La La LandUSA 2016Regie&Drehbuch: Damien ChazelleBesetzung: Ryan Gosling, Emma Stone, John Legend128 Min. Kinostart Deutschland: 12. Januar 2017culturshock-Wertung: 8/10 |