Film

Filmkritik: Blue Ruin

FANTASY FILMFEST 2014. „Wer nach Rache strebt, hält seine eigenen Wunden offen.” wie wahr dieser Ausspruch von Sir Francis Bacon ist, wird deutlich, sobald man Dwight, der Hauptfigur von Blue Ruin, begegnet: verschlossen-scheue Haltung, ungepflegter Bart und ein Blick, hinter dem sich schmerzvolle Erinnerungen verbergen müssen.

Dwight (Macon Blair) ist ein scheinbar heimatloser, noch junger Mann, der in der Nähe des Strandes in einem alten Pontiac schläft, sich von im Müll aufgelesenem Essen oder frisch geangelten Fischen ernährt und hin und wieder in Häuser einbricht, wenn er mal ein ausgiebiges Bad braucht. Auf diese Weise scheinen viele seiner Tage vergangen zu sein, bis er eines Tages erfährt, dass ein gewisser Wade Cleland aus dem Gefängnis entlassen wird. Die Behutsamkeit, mit der die Polizistin Dwight diese Neuigkeit überbringt, lässt Schreckliches vermuten – sowohl im Hinblick auf die Vorgeschichte Dwights als auch auf den weiteren Verlauf der Geschehnisse.

Wir erfahren, dass Dwights Eltern vor Jahren von Wade kaltblütig niedergeschossen wurden. Ein Verlust, der Dwights gegenwärtige Lebensmisere bedingt. Gleich im Anschluss an das Gespräch mit der Polizistin macht er sich daran, einen Mord zu planen, wobei deutlich wird, dass er alles andere als ein Profi ist. Im Schusswaffengeschäft schrecken ihn die Kameras und die hohen Preise ab und die Pistole, die er schließlich aus einem parkenden Fahrzeug stiehlt, ist von einem Waffenschloss versperrt. So muss er sich schließlich am Tag von Wades Entlassung mit einem Messer begnügen. Auf einer Bartoilette sticht Dwight ihn mit Mühe nieder und entkommt aufgrund einiger Missgeschicke nur knapp Wades schießwütiger Verwandtschaft.

Kein Frieden, keine Genugtuung

Der Mangel an Organisation und Kaltblütigkeit beim Durchführen dieses Racheakts erscheint nicht nur erfrischend realistisch, sondern lässt beim Zuschauer auch eine gewisse Rührung zu. Man kommt nicht umhin, zu bemerken, dass Dwight kein eiskalter Killer ist, sondern ein gebrochener Mann, der durch diesen für ihn gerechtfertigten Mord kaum Frieden finden wird. Selbst als die Flucht ihm vorerst gelingt und er seiner Schwester, die ihn jahrelang nicht zu Gesicht bekommen hat, die Tat gesteht, wirkt er trotz frischer Rasur und gekürzten Haaren immer noch unverändert entrückt. Der hoffnungsferne Blick bleibt erhalten, ebenso wie die Aufregung, als er sich Wades heranrückenden, mit Schrotgewehr und Armbrust bewaffneten Verwandten stellen muss.

Im weiteren Verlauf des Dramas erfahren wir mehr über das ursprüngliche Verbrechen, doch keine dieser Informationen kann die Familienfehde aufhalten. Ebenso wenig vermag es Dwights Racheakt, seine seelischen Wunden zu heilen, sondern fügt diesen alsbald einige körperliche hinzu. Damit wird Rache in Blue Ruin zum hinfälligen, aber dennoch völlig obsoleten Selbstzweck erklärt, fernab von süßer Genugtuung oder Wiederherstellung von Gerechtigkeit. Aufrichtig und schnörkellos legt der Jungregisseur Jeremy Saulnier diese bittere Wahrheit in seinem spannungsgeladenen Film dar und kann sich so ihrer Nachwirkung sicher sein.

 

Blue Ruin Psychothriller RacheBlue Ruin

USA 2013

Regie & Drehbuch: Jeremy Saulnier

Hauptdarsteller. Macon Blair, Devin Ratray, Any Hargreaves

92 Min.

culturshock-Wertung: 8/10

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