Filmkritik: Hail, Caesar!
BERLINALE 2016 – Wettbewerb (außer Konkurrenz). Eine doppelte Tilda Swinton, ein steppender Channing Tatum, eine so bezaubernde wie derbe Scarlett Johansson und dann auch noch Frances McDormand als verschrobene Cutterin – Hail, Caesar! ist bis in die kleinste, merkwürdige Nebenrolle so grandios besetzt, dass man fast schon fürchten könnte, hier solle wohl von Drehbuchschwächen abgelenkt werden. Doch nichts da: Den Coen-Brüdern ist mit dieser Komödie eine so liebevolle wie exakte Abfertigung mit dem Klassischen Hollywood gelungen, die zur Eröffnung der diesjährigen Berlinale für großes Vergnügen sorgte.
Hollywood, 1951: Er kann schwierige Regisseure besänftigen, aufmüpfige Schauspieler ruhig stellen und die Klatschpresse in Schach halten, aber eins zwingt Eddie Mannix (Josh Brolin) dann doch in die Knie: seine Nikotinsucht. Er habe wirklich versucht aufzuhören, aber es sei einfach zu schwer, beichtet er den Tränen nahe einem genervten Priester zu Beginn von Hail, Caesar!. Hätte der ‚Fixer‘ (im Sinne von ‚Problemlöser‘) eines mächtigen Hollywood-Studios da schon geahnt, was ihm am kommenden Tag bevorsteht, wäre er vorsorglich lieber im Beichtstuhl geblieben. Und hätte sich gleich noch eine Zigarette angezündet.
Imagewechsel und Imagelügen
Denn so perfekt durchchoreographiert und bis ins kleinste Details ausgeplant die Produktionen in diesem Zeitalter des Klassischen Hollywood auch sind, so überraschend und beratungsresistent zeigen sich Eddie dessen Macher. So teilt einer der Studio-Bosse ihm spontan mit, dass die Hauptrolle in dem Gesellschaftsdrama ‚Merrily we dance‘ sofort an den Western-Star Hobie Doyle (Alden Ehrenreich) gehen soll.
Dumm nur, dass dessen schauspielerische Bandbreite nicht ausreicht, um mehr zu verkörpern als den Lasso-schwingenden, um sich schießenden und Stunt-versierten Cowboy. Mitreden kann Hobie, der auch in Drehpausen gern Bohneneintopf verdrückt, bei diesem aufgezwungenen Karriereschritt nicht. „Sie ändern dein Image“, wird ihm am Set seines neuesten Westerns zugerufen, und schon schlüpft er aus seinen Jeans und in den Smoking hinein. Das Ausmaß dieser Fehlbesetzung offenbart sich dem schnöseligen Regisseur Laurence Laurentz (Ralph Fiennes), als dieser am Set dem so herzensguten wie untalentierten Hobie die richtige Aussprache der Worte „Would that it were so simple“ („Wäre es bloß so einfach“) beizubringen versucht – und aufs witzigste scheitert.
Schein, Sein und Glauben
Doch das Herzstück dieser Hollywood-Satire ist das Gemenge von Schein, Sein und Glauben, von dem Hollywood bis heute zehrt. Wunderbar wird dies demonstriert am titelgebenden Film-im-Film ‚Hail, Caesar!‘, einer Mischung aus Sandalen- und Monumentalfilm, in der die Leinwandgröße Baird Whitlock (George Clooney) mit stolzgeschwellter Brust den römischen Feldherren Antiochus gibt und zum Ende auf den gekreuzigten Jesus treffen soll.
Gerade dachte Eddie noch, er hätte durch ein (für den Zuschauer aberwitziges) Treffen mit Repräsentanten des jüdischen, des orthodoxen, des katholischen und des protestantischen Glaubens alle religiösen Fettnäpfchen für die Darstellung von Jesus Christus in diesem Film erfolgreich umgangen, da passiert das völlig unerwartete: Baird Whitlock verschwindet spurlos vom Set. Einige Stunden später erhält Eddie eine Lösegeldforderung, während Baird angeregte Gespräche mit seinen Entführern führt. Diese sind dem Kommunismus zugewandte Drehbuchautoren, die sich von den übermächtigen Hollywood-Studios betrogen fühlen und es satt haben, der systemerhaltenden Traumfabrik zuzuarbeiten.
Die System-Stütze
Mit dieser Kritik an Hollywood als verlogener, Kapitalismus-verherrlichender Maschinerie wird Eddie mehrfach konfrontiert. Wiederholt wird ihm im Verlauf des Films das Wort ‚make-belief‘ als Charakteristikum für seine Branche zugeworfen. Ein Wort, das am wohlwollendsten mit ‚Scheinwelt‘ zu übersetzen wäre, aber von seinen Verwendern hier wohl eher im Sinne von ‚Vorgaukelung‘ oder ‚Weismachung‘ gemeint ist.
Und auch die sich an entscheidenden Stellen über die Erzählung legende Märchenstimme aus dem Off bekräftigt Hollywoods Funktion, sich wie ein Balsam über die geschundenen, am System zweifelnden Seelen zu legen und so das Opium des Volkes zu sein, das der von den aufbegehrenden Drehbuchautoren in diesem Film so verehrte Marx einst der Religion zusprach. Die Coen-Brüder meistern in Hail, Caesar! eine interessante, wenn auch nicht gerade subtile Herstellung von Parallelen zwischen Hollywood, Religion und politischen Ideologien. Damit zeigen sie, wie präsent die Eckpfeiler der Klassischen Hollywood auch heute noch sind.
Hail, Caesar!USA 2016 culturshock-Wertung: 7/10 |
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