Film

Filmkritik: Split

Vor knapp einem Jahr meldete sich Regisseur M. Night Shyamalan nach einer Reihe unangenehmer Flops mit The Visit zurück – einem stellenweise sehr witzigen Horrorfilm über zwei Kinder und ihren seltsame Wendungen annehmenden ersten Besuch bei den Großeltern. Obwohl The Visit insgesamt auf ein gemischtes Echo traf, weckte dieser Film zugleich Hoffnungen, dass sich Shyamalan hiermit auf die Essenz seiner Werke zurückbesann und ihm womöglich bald wieder ein ebenso angsteinflößender wie berührender Geniestreich wie damals mit The Sixth Sense gelingen könnte. Doch sein neuestes Werk gibt nicht viel auf derlei Erwartungen. Split überrascht stattdessen mit einem sehr eigenwilligen Dreh. Zum Glück.

Ein facettenreicher Entführer

Die Ausgangslage von Split ist nicht unbedingt ein Selbstläufer in Sachen Spannung: Nach einer Geburtstagsfeier warten die drei Teenager-Mädchen Claire, ihre beste Freundin Marcia und die stille Außenseiterin Casey (Anya Taylor-Joy, bekannt aus The Witch) darauf, nach Hause gefahren zu werden. Doch der Mann (James McAvoy), der sich schließlich ans Steuer setzt, ist nicht etwa der eben noch am Kofferraum beschäftigte Vater von Claire, sondern ein völlig Unbekannter, der die drei perplexen Mädchen betäubt, bevor sie aussteigen können. Sie finden sich anschließend in einem fensterlosen Raum wieder. Nachdem sich der Entführer als angespannter Mann namens Dennis vorgestellt hat, machen sie verstörende Bekanntschaft mit zwei anderen, ebenfalls von ihm verkörperten Persönlichkeiten: Dem 9-jährigen Hedwig und der gouvernantenhaften Patricia.

Split Shyamalan Horror Psychothriller

Casey (Anya Taylor-Joy) und ‚Hedwig‘ (James McAvoy)

Die Dissoziative Identitätsstörung (DIS), früher als multiple Persönlichkeitsstörung bekannt, mag noch immer faszinieren, gilt aber kaum noch als sonderlich originelles Handlungsmotiv in Filmen. Unzählige Thriller und Horrorfilme haben sich seiner bedient und diese psychische Erkrankung zu einem besonders fesselnden Mörder-Attribut erhoben – garantiert es doch, den inneren Kampf zwischen gut- und bösartigen Facetten innerhalb einer Figur veranschaulichen zu können. In den letzten Jahren war diese Identitätsstörung zudem der Kern des Twists, mit dem Filme wie Fight Club (1999), Identität (2003) und Das geheime Fenster (2004) ihre eigentliche Handlungsebene enthüllten.

Nr. 24 und eine unverhoffte Anti-Heldin

Shyamalan legt diese Identitätsstörung aber schon relativ früh in Split offen und führt uns durch die Erläuterungen der Psychiaterin Dr. Fletcher (Betty Buckley) auf die eigentliche Spannungsroute. Seit Jahren behandelt sie den Entführer, der eigentlich Kevin Wendell Crumb heißt und an einer besonders ausgeprägten Form von DIS zu leiden scheint. Insgesamt 23 Persönlichkeiten nehmen sich abwechselnd seiner an, wobei sich mit jeder auch seine Körperchemie anzupassen scheint. Diese der Zuschaueraufklärung dienenden Ausführungen Dr. Fletchers wirken etwas gespreizt und fügen sich nur mühsam in die Handlung ein. Doch die Darstellungen der unterschiedlichen Persönlichkeiten (von denen nur fünf in diesem Film länger in Erscheinung treten) durch James McAvoy gleichen dies wieder aus. Sie muten bewusst eigentümlich an, sind aber keinesfalls albern. Jede einzelne stattet er mit einem wiedererkennbaren, eigenen Mienenspiel aus, von denen Patricias Nasekräuseln das wohl fantastischste ist.

Split Shyamalan Horror Psychothriller

‚Patricia‘ (James McAvoy)

Den Mädchen wird durch die drei präsenten Persönlichkeiten schließlich der Grund für die Entführung offenbart. Eine 24. Persönlichkeit soll bald ans Licht treten – stark, bösartig und hungrig. Sie werden als ‚heilige Nahrung‘ gebraucht. Eine Ankündigung, die bei Claire und Marcia die Alarmglocken schrillen und sie kaum durchdachte Fluchtversuche unternehmen lässt. Währenddessen bewahrt Casey eine fast schon fatalistisch wirkende Ruhe. Sie versucht mehr über die einzelnen Persönlichkeiten zu erfahren, während uns zugleich in Rückblenden eine traumatische Begebenheit aus ihrer eigenen Kindheit geschildert wird. Casey wird mit jeder dieser Rückblenden und Anya Taylor-Joys sehr intensiver, zwischen Verletzlichkeit und Abgeklärtheit angelegter Darstellung zum Final Girl wider Willen erhoben.

Flucht aus dem Twist-Dilemma

Caseys Vergangenheit, Kevins Identitätsstörung und die sich ankündigende 24. Persönlichkeit steuern schließlich auf ein Finale zu, das mitunter etwas zu lang auf sich warten lässt und schließlich hohe Erwartungen zu erfüllen hat. Neben einer meisterhaft lauernden Kameraführung und den überzeugenden Darbietungen von McAvoy und Taylor-Joy weist Split leider auch einige inszenatorische Schwächen auf. Dadurch stellt sich zwischendurch die Sorge ein, dass sich Shyamalan hier in ein Dilemma bugsiert, das er durch den zwingend erwarteten Twist nicht lösen kann. Kann er aber doch: Die Handlungsebenen von Split fügen sich am Ende tatsächlich zu einer einzigartigen Geschichte zusammen, die durch eine finale Enthüllung noch gehörig an Raffinesse gewinnt. Kein durch und durch stimmiges Werk, aber eins, über dessen Ecken und Kanten man angesichts dieser Überraschung schließlich wohlwollend hinwegsehen kann.

Split Shyamalan Horror Psychothriller

Split

Blumhouse Productions, USA 2017

Regie & Drehbuch: M. Night Shyamalan

Besetzung: James McAvoy, Anya Taylor-Joy, Betty Buckley

117 Min. Kinostart Deutschland: 26. Januar 2017

culturshock-Wertung: 8/10

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