Filmkritik: Ema
In seinen besten Momenten lässt das chilenische Tanz-Drama Ema einen das Knistern eines Feuers spüren, das von der Intensität der Titelfigur lebt. Dieses brennt aber nicht lang genug – trotz Flammenwerfer.
Nachbeben eines Adoptionsdramas
Eigentlich kommen wir schon zu Beginn von Ema zu spät. Der dramatische Höhepunkt im Leben der jungen Tänzerin Ema (Mariana Di Girolamo) hat sich schon off camera ereignet. Sie und ihr Mann Gastón (Gael García Bernal), ein erfolgreicher Choreograph, haben nach einem tragischen Zwischenfall ihren vor einem Jahr adoptierten Sohn Polo wieder der Adoptionsbehörde übergeben. Zu enttäuscht war Ema über die Entgleisung des Achtjährigen. Zu unüberwindbar schienen die Hürden, die ihnen Polo schon zuvor auferlegt hatte.
In ihrer Heimatstadt Valparaíso verurteilt man die beiden für ihre Abkehr vom Adoptivsohn, allen voran Ema. Als diese über ihre Entscheidung ins Zweifeln kommt und sich an Marcela von der Adoptionsbehörde wendet, wird sie brüsk abserviert. An der Schule, an der Ema neben ihren Auftritten Kinder im Ausdruckstanz unterrichtet, entlässt man sie. Zu guter Letzt bröckelt auch die Ehe mit Gastón, was sich in eiskalten Wortgefechten und verbalen Verletzungen äußert. Was Ema bleibt, sind der Reggaeton, ihre Freundinnen – und ein Flammenwerfer.
Die Unangepasste und Unterschätzte
An einem tiefen, dialoglastigen Familiendrama war Regisseur Pablo Larraín bei Ema eindeutig nicht interessiert, was nicht verwundert, wenn man seine personenzentrierten Filme Neruda und Jackie, beide von 2016, kennt. Auch in Ema dreht sich alles um die Titelfigur und auch hier scheint die Kamera wie hypnotisiert von dieser. Sie fängt sie Reggaeton tanzend vor den schönen Kulissen der Hafenstadt aufs Prächtigste ein.
Zugleich scheint Larraín mit Ema einen Frauentypus zu erschaffen, wie man ihn selten auf der Leinwand sieht. Hauptdarstellerin Mariana Di Girolamo stellt sie als intensive Rebellin mit platinblonder Betonmähne dar, die viele Gegensätze in sich verkörpert: emotional aber nicht sentimental, unangepasst aber entschlossen und stets zwischen Impulsen und Kalkül schwankend. Und so gibt man sich im Verlauf von Ema lange einer Story hin, die sich nur um Emas Ausbruch aus der bröckelnden Ehe zu drehen scheint, hinein in ein scheinbar unbeschwertes Nachtleben, das sie tanzend, zündelnd und flirtend verbringt. Doch die Affären, die sie beginnt, sind keineswegs beliebig.
Ein Feuer ohne Substanz
In seinen besten Momenten lebt Ema vom Knistern eines Feuers, das sich von der Intensität der Hauptfigur, den wunderschönen Aufnahmen von Valparaíso im Abendschimmer, der hypnotischen Wirkung des Reggaeton-Rhythmus nährt. Immer wieder erlischt dieses Feuer aber und als Zuschauer*in bleibt man zurück mit einer abstrusen Story und ‚originellen‘ Dialogen, die Gastón und Ema wie die Parodie auf ein schwieriges Künstlerehepaar erscheinen lassen. Und so lässt sich hinter dem kunstvollen Äußeren von Ema wenig entdecken, das im Gedächtnis bleibt. Gut, vielleicht noch der urkomische Reggaeton-Rant („Knastmusik!“), den der eifersüchtige Gastón zur Mitte des Films so kraftvoll vorträgt. Der Rest ist Tanz und Taumel.
EmaChile 2019 culturshock-Wertung: 6/10 |
---|