Film

BERLINALE 2023 #2: BLACKBERRY (WETTBEWERB)

Der kanadische Regisseur Matt Johnson hat mit BlackBerry einen hochspannenden Unternehmenskrimi geschaffen, der auch kritisch die Gründe für den Niedergang des Smartphone-Entwicklers reflektiert.

BlackBerry-Gründer Mike Lazaridis (Jay Baruchel) inmitten der Euphorie |© Budgie Films Inc.

Es schien nur eine Frage der Zeit, bis sich ein Spielfilm der Geschichte um den Aufstieg und Fall des kanadischen Software-Unternehmens BlackBerry und ihres gleichnamigen Smartphones annehmen würde. Schließlich sind die Erfolgsgeschichten von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und Apple-Innovator Steve Jobs schon längst (teilweise mehrfach) verfilmt worden. Zudem zeigten im vergangenen Jahr Serienproduktionen wie WeCrashed, Super Pumped und The Dropout, das über die seit der Jahrtausendwende angewandten Geschäftspraktiken von (Möchtegern-)Disruptor*innen noch längst nicht alles erzählt ist.

Der kanadische Regisseur Matt Johnson hat sich an diese schon fast tragische Unternehmensgeschichte ausgehend vom Sachbuch Losing the Signal: The Untold Story Behind the Extraordinary Rise and Spectacular Fall of BlackBerry (2015) herangewagt. Sein Film beginnt im Jahr 1996, als BlackBerry beziehungsweise das damals noch unter Research In Motion (RIM) firmierende Unternehmen schon längst gegründet war, aber aus wenig mehr als einem heruntergekommenen Büro und ein paar Angestellten in der kanadischen Stadt Waterloo bestand.

Zerstreut und unprofessionell wirken die beiden Gründer Mike Lazaridis (Jay Baruchel) und Douglas Fergin (Matt Johnson selbst), als sie ins Büro des angespannten Geschäftsmanns Jim Balsillie (großartig: Glenn Howerton) stolpern. Sie stellen ihm ihre Idee von einem Handy mit Email-Funktion namens „PocketLink“ vor, doch ihr Pitch ist chaotisch und Jim ein Mann ohne Geduld. Er wimmelt die beiden ab, aber als er bald darauf seinen Job bei der Investmentgruppe verliert, kommt er großspurig auf sie mit einem Deal zu. Fortan leitet Jim gemeinsam mit Mike als Co-CEO das junge und verschuldete Unternehmen.

Von der Nerd-Klitsche zur Smartphone-Schmiede

Mike und Stirnband-Träger Doug (Matt Johnson) mit ihren Angestellten vorm Durchbruch | © Budgie Films Inc.

Mit seinem Einstieg bringt Jim einen kalten, schneidenden Wind ins Büro, der den bis dato noch in fröhlicher, aber nicht sonderlich produktiver Geselligkeit arbeitenden Angestellten bei RIM zwar missfällt. Zugleich spornt sie die Angst vorm cholerischen Jim aber auch zur blitzschnellen Anfertigung eines Prototyps für das mobile All-in-One-Gerät an, das später als „BlackBerry“ das erste Smartphone werden soll. Einen Zeitsprung später ins Jahr 2003 scheint es zunächst, als ob Jims arrogante Macher-Manier, Mikes Perfektionismus und Dougs chaotische Kreativität zu einer perfekten Synergie geführt hätten: Das BlackBerry ist in aller Munde (unter anderem Oprah Winfreys) und in immer mehr Händen. Doch eine drohende feindliche Übernahme, die damaligen Grenzen der Netzwerk-Kapazität und der aufkommende Wettkampf um den Smartphone-Markt zeigen bald die Schwachstellen in der Unternehmensführung auf.

BlackBerry entwickelt sich im Verlauf seiner zweistündigen Laufzeit zum atemlosen und unterhaltsamen Unternehmenskrimi. Dabei hält dieser aber an den richtigen Stellen inne und zeigt in aufschlussreichen Szenen den stetigen Kulturwandel bei BlackBerry von der kreativen Nerd-Klitsche zur durchorganisierten und streng geführten Smartphone-Schmiede auf. Dass diese rasante Entwicklung auch ein Verkümmern von zwischenmenschlichen Beziehungen, Innovation erschließenden Arbeitsweisen und schließlich auch Qualitätsprinzipien nach sich zieht, merken die umtriebigen Co-CEOs Mike und Jim tragischerweise zu spät. Und obwohl der Ausgang der hier dargelegten Unternehmensgeschichte in etwa bekannt ist, verfolgt man gebannt, wie massiv es nach Steve Jobs‘ Vorstellung des iPhone für BlackBerry bergabgeht. Ein aufgewecktes Drama, das auch Dank der interessanten Dynamik zwischen den gut ausgearbeiteten Hauptfiguren bis zum bitteren Ende spannend bleibt.

BlackBerry

Kanada 2023
REGIE: Matt Johnson
DREHBUCH: Matt Johnson, Matthew Miller; beruhend auf dem Sachbuch Losing the Signal: The Untold Story Behind the Extraordinary Rise and Spectacular Fall of BlackBerry (2015) von Jacquie McNish und Sean Silcoff
KAMERA: Jared Raab
BESETZUNG: Jay Baruchel, Glenn Howerton, Matt Johnson, Cary Elwes, Saul Rubinek, Michael Ironside, Rich Sommer
121 Min. Kinostart Deutschland: Unbekannt.
BERLINALE 2023 – Wettbewerb

culturshock-Wertung: 8/10

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