Film

Berlinale 2025: Rückschau – Teil #1

Eisige Temperaturen, viele Ängste vor der Bundestagswahl und deutliche Kürzungen im Kulturapparat: Dies waren schwierige Vorzeichen, unter denen die diesjährige Berlinale stattfand. Darüber hinwegtrösten konnten aber einige Beiträge unter den über 240 dort präsentierten Produktionen aus aller Welt. Hier nun Teil Eins des Überblicks über besonders herausragende Beiträge der Berlinale 2025.

Living the Land (Wettbewerb)

Lving the Land

Der kleine Chuang (Wang Shang) findet Trost bei Xiuying (Zhang Chuwen) | Copyright: Floating Light (Foshan) Film and Culture

Obwohl er im Schoße der großen Familie Li auf dem Land untergebracht ist, vermisst der kleine Chuang (Wang Shang) seine Eltern. Diese sind zur Arbeit in die Stadt gezogen. Wann sie zurückkehren, ist ungewiss und so muss sich der Zehnjährige ins von harter Erntearbeit geprägte Dorfleben einfügen. Ein Trost sind Chuang die 21-jährige Xiuying (Zhang Chuwen), die unter Druck steht, bald zu heiraten, um den Lis nicht mehr auf der Tasche zu liegen, sowie seine Ur-Oma, die mit klaren Worten über die Verfehlungen der Familie nie spart. Beerdigungen, staatliche Geburtenkontrolle, eine Hochzeit und der mühsame Weg zur Entrichtung der Agrarsteuer – Regisseur Huo Meng gibt in seinem in knapp zwei Stunden dahinfließenden Film Einblicke ins von archaischer Tradition und zaghaftem Aufbruch geprägte Dorfleben in China im Jahr 1991. Sein Drama reichert er mit beeindruckenden Plansequenzen an und fängt die Geschäftigkeit der Lis vor brillant eingefassten Landschaften ein, während das Drehbuch pointierte Wendungen und bittere Entwicklungen um die Familie bereithält. Auch ohne Spannungsbogen ein einnehmendes, berührendes Familienepos.

Living the Land

(Original: Sheng Xi Zhi Di)
Volksrepublik China, 2025
Regie und Drehbuch: Huo Meng
Kamera: Guo Daming
Besetzung: Wang Shang, Zhang Chuwen, Zhang Yanrong, Zhou Haotian
132 Min. Kinostart Deutschland: unbekannt
Gesehen auf der Berlinale 2025 – Sektion Wettbewerb

Mit der Faust in die Welt schlagen (Perspectives)

Das Haus in der Lausitz ist fast bezugsfertig, der Vater Stefan (Christian Näthe) hat mit dem Trinken aufgehört und geht ebenso wie die Mutter Sabine (Anja Schneider) wieder einer Arbeit nach. Endlich scheint es für die Familie der beiden Brüder Philipp (Anton Franke) und Tobias (Camille Moltzen) bergauf zu gehen im Jahr 2006 in Ostdeutschland. Doch bald schleichen sich Probleme und Ansichten ein, die den beiden Jungs kaum entgehen: Stefan verliert erneut seinen Job, schimpft darauf, dass die „billigen“ polnischen Arbeiter ihm Konkurrenz machen, während in der Schule „Jude“ ein gängiges Schimpfwort ist und eine Gruppe Rechtsradikaler ihr Unwesen treibt. Das alles geht nicht spurlos an Philipp und Tobias vorbei, zumal viele ihrer an Erwachsene gerichtete Fragen dazu unbeantwortet bleiben und ihre Familie weiter an Halt verliert. Und so machen sich die beiden leicht zu beindruckenden Jungs selbst ein Bild von der zunehmend zerfallenden Gesellschaft, die sie umgibt – mit fatalen Folgen. Dies alles schildert Constanze Klaue in ihrem klugen Regiedebüt in aufschlussreichen Momentaufnahmen, die dem Publikum Raum zur eigenen Deutung lassen und ein Gefühl dafür geben, was in einer sich zur Rechtsradikalität verhärtenden Gesellschaft nicht stimmen mag.

Mit der Faust in die Welt schlagen

Nach dem gleichnamigen Roman von Lukas Rietzschel
Deutschland, 2024
Regie und Drehbuch: Constanze Klaue
Kamera: Florian Brückner
Besetzung: Camille Moltzen, Anja Schneider, Johannes Scheidweiler, Sammy Scheuritzel, Christian Näthe
110 Min. Kinostart Deutschland: 3. April 2025
Gesehen auf der Berlinale 2025 – Sektion Perspectives

Das deutsche Volk (Special)

Während der Berlinale jährte sich zum fünften Mal der Tag des rassistischen Anschlags von Hanau: Am 19. Februar 2020 erschoss ein Rechtsextremer neun junge Menschen mit Migrationshintergrund. In seiner Doku Das deutsche Volk fängt Regisseur Marcin Wierzchowski nicht nur die tief nachhallende Trauer der Hinterbliebenen ein, sondern zeichnet auch deren jahrelangen Kampf um eine juristische und gesellschaftliche Aufarbeitung der schrecklichen Tat ein. Bis auf wenige Einblendungen verzichtet Wierzchowski auf jeglichen Kommentar, lässt die Familien selbst sprechen und dokumentiert auch ihre Auseinandersetzungen mit den Behörden, wenn es um weiterhin unbeantwortet gebliebene Fragen geht, die auf strukturell verankerten Rassismus und bemerkenswerte Verfehlungen der Sicherheitsapparates verweisen. Um die Hintergründe zu entscheidenden Details (ein verschlossener Notausgang, eine nicht erreichbare Notruf-Nummer) noch besser zu erfassen, hätte es zwar weiterer Erläuterungen in diesem Film bedurft, aber Das deutsche Volk vermag es dennoch, ein wichtiges Schlaglicht auf den problematischen Umgang mit diesem Anschlag zu werfen.

Das deutsche Volk

Deutschland 2025
Buch und Regie: Marcin Wierzchowski
Kamera: Marcin Wierzchowski, Peter Peiker
132 Min. Kinostart Deutschland: unbekannt
Gesehen auf der Berlinale 2025 – Sektion Special

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