Film

Filmkritik: The Bad Batch

Viel gewagt und gewonnen hatte Drehbuchautorin und Regisseurin Ana Lily Amirpour 2014 mit ihrem Spielfilmdebüt A Girl Walks Home Alone at Night. Eine schockierend schöne Welt aus Gegensätzen hatte sie damals für ihre ungewöhnliche Vampir-Romanze geschaffen und gezeigt, wie man gekonnt Genregrenzen ineinander auflöst. Auch in ihrem Nachfolger The Bad Batch, der nun auf Netflix verfügbar ist, kreiert sie ein originelles, dystopisch anmutendes Szenario. Dieses kann aber leider nicht zu Genüge vom Mangel an Substanz und Charaktertiefe ablenken.

Verbannung und Verstümmelung

Dabei ist der erzählerische Einstieg in The Bad Batch durchaus reizvoll: Er skizziert ein Amerika, das mit Außenseitern, Kriminellen und Illegalen kurzen Prozess macht. Diese, wie es an einer Stelle heißt, „nichtfunktionalen“ Mitglieder der Gesellschaft werden interniert, mit einer Nummer versehen und zur texanischen Grenze gebracht. Hinter dieser verlieren sie alle Rechte als US-Bürger und sind der erbarmungslosen Hitze der Wüste ausgesetzt.

The Bad Batch

Gefundenes Fressen: Arlen (Suki Waterhouse)

Die junge Arlen (Suki Waterhouse) ist eine von diesen Aussätzigen und kurz nach ihrer Ankunft ein gefundenes Fressen für eine Gruppe von Kannibalen. So erleben wir noch lange vorm ersten Dialog in diesem mit Wortwechseln geizenden Film eine entsprechend brutale Szene mit. Der Heldin werden ein Unterarm und Unterschenkel abgesägt, während aus dem Transistorradio der Kannibalenfrauen All that She Wants von Ace of Base erschallt. Mit solch einem gebündelten Gewaltakt gleich im ersten Akt aufzufahren, sollte schon gut begründet sein. In Interviews beschrieb Regisseurin Amirpour die desolate Situation der Heldin – verstümmelt und verblutend in der Wüste liegend – als Sinnbild für eine besonders schwierige Lebensphase.

Trost und Rache

The Bad Batch

The Dream (Keanu Reeves) und sein von ihm geschwängerter und bewaffneter Harem

Der Ort, an den sich Arlen schließlich mithilfe eines umherstreunenden Müllsammlers (überraschend unkenntlich: Jim Carrey) rettet, heißt vielsagenderweise ‚Comfort‘: Trost. Hier, in einer schäbigen Schrottsiedlung haben sich die Nicht-Kannibalen zusammengerottet und frönen einer rauschhaften Koexistenz. Bürgermeister dieses Orts ist ein Schnauzbartträger namens ‚The Dream‘ (Keanu Reeves), der sich mit einem Harem geschwängerter Frauen umgibt und seine Bürger mit Drogen und einem leider nicht näher erläuterten Abwassersystem versorgt.

The Bad Batch

Zwei Welten treffen aufeinander: Miami Man (Jason Momoa) und Arlen

 

Die Kannibalen außerhalb der Siedlung werden ‚Bridge People‘ genannt. Einer von ihnen ist ‚Miami Man‘, der mit seiner Frau und seiner Tochter zusammenlebt und das Abschlachten von Menschen als notwendiges Übel sieht, um seine Familie zu ernähren. Er wird von Kraftprotz Jason Momoa gespielt, der den kubanischen Akzent hier nicht ganz so konsequent durchhält wie die fiktive Sprache, die er als Khal Drogho in Game of Thrones beherrschen musste. Die Wege von Miami Man und Arlen kreuzen sich, als letztere das schützende Comfort verlässt, um Rache zu üben und Sinn zu finden.

Mühsam verdeckte Ödnis

So schräg und interessant, wie dieser Handlungsumriss vielleicht anmuten mag, ist Amirpours Film leider nicht geworden. Zum einen hungert uns The Bad Batch mit seinen mal mageren und dann leider fassungslos dumpfen Dialogen aus. Zum anderen stellt man nach einiger Wartezeit auf ebendiese Sprechakte mit Erschrecken fest, dass die Hauptfiguren von Amirpour mit nicht viel mehr als Überlebenswillen, übertriebenen Akzenten und reichlich Outlaw-Coolness ausgestattet wurden.

Elemente, die dieses Gemenge aus Endzeit-Dystopie, metaphorischer Trauma-Überwindung und Alice im Wunderland-Bezügen ebenso wenig vereinen wie der prägnante Soundtrack oder der recht renommierte Cast (man achte bitte auf Giovanni Ribisi in einer für den Plot gänzlich überflüssigen Rolle). Der ‚Style over Substance‘-Vorwurf, der in einigen Kritiken zu The Bad Batch zum Ausdruck kam, ist also durchaus berechtigt. Und so hinterlässt The Bad Batch nicht viel mehr als die Hoffnung, dass Amirpour wieder zur atmosphärischen Dichte und Tiefe findet, die A Girl Walks Home Alone at Night so groß gemacht hat. Und vielleicht noch der irritierende Wunsch, ein bisschen Ace of Base zu hören…

The Bad BatchThe Bad Batch

USA 2016. Länge: 115 Min.

Regie & Drehbuch: Ana Lily Amirpour

Besetzung: Suki Waterhouse, Jason Momoa, Jim Carrey, Keanu Reeves, Giovanni Ribisi

Auf Netflix erschienen am 22. September 2017

culturshock-Wertung: 4/10

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