Film

Filmkritik: 3 Tage in Quiberon

ERLINALE – WETTBEWERB: Viel frische Luft, kein Zucker, keine Zigaretten und vor allem kein Alkohol – diese Kur samt freudloser Hotel-Diät lässt Romy Schneider 1980 im Hafenort Quiberon über sich ergehen. Zu diesem Zeitpunkt ist sie 42 Jahre alt und von einem Leben voller Erfolge und Exzesse gezeichnet. Frühen Ruhm als Schauspielerin, die Liebe und die Verachtung der deutschen Presse hat sie erfahren, sowie zwei Scheidungen hinter sich gebracht. Im Jahr zuvor hatte ihr Ex-Mann Harry Meyen Selbstmord begangen. Und vor kurzem hat ihr Sohn David ihr eröffnet, dass er lieber bei seinem Stiefvater in den USA leben will als bei ihr. Rückschläge, die Schneider nur noch mit Alkohol und Tabletten bewältigen kann. Das Drama 3 Tage in Quiberon zeigt Schneider im Versuch, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben und wie dieser kurz nach Eintreffen des stern-Journalisten Michael Jürgs und des Fotografen Robert Lebeck grandios scheitert.

3 Tage in Quiberon

Romy (Marie Bäumer) und Hilde (Birgit Minichmayr) | © Rohfilm Factory / Prokino / Peter Hartwig

Beste Absichten und alte Gewohnheiten

Regisseurin und Drehbuchautorin Emily Atef nähert sich Romy Schneider, die in den 1970er Jahren ihre Sissi-Vergangenheit endgültig hinter sich ließ und mit anspruchsvollen Autorenfilmen zum Weltstar avancierte, über eine Vertrauensfigur: Hilde Fritsch (Birgit Minichmayr), ihre enge Freundin aus Kindertagen, besucht Romy im Hotel in Quiberon. Sie findet eine zerbrechliche, erschöpfte Frau vor, die aber herzlich und offen im Umgang mit ihrer Freundin ist. Die beiden Frauen tauschen sich über private Dramen und berufliche Herausforderungen aus und für kurze Zeit hat es den Anschein, als könnte Romy ihren Vorsatz, auszunüchtern und um den Verbleib ihres Sohnes bei ihr zu kämpfen, umsetzen.

Doch dann diese eine Szene, die zeigt, dass es da etwas gibt, dass stärker ist als ihr Wille sich zu ändern: Romy und Hilde sitzen in der Badewanne, entspannen, bis plötzlich das Telefon ringt. Widerwillig blickt Romy zum Telefon, schaut weg und taucht schließlich in der Wanne unter – so lange, dass Hilde Angst um sie bekommt. Romy taucht wieder auf, wischt sich das Gesicht trocken und hebt den Hörer schließlich ab. Es ist die Hotellobby, die ihr mitteilt, dass die Journalisten eingetroffen seien.

Der Ermittler und der Bewunderer

Und hiermit beginnt das, was diese drei Tage in Quiberon ausmachen wird: Romy Schneiders schwierige, von gegenseitiger Anziehung und Verachtung geprägte Beziehung zur Presse. Dies wird allein schon am gegensätzlichen Duo deutlich, das sie in Quiberon für ein ausführliches Interview besucht. Auf der einen Seite der Boulevard-Journalist Michael Jürgs (Robert Gwisdek) vom stern, höflich aber kühl und fordernd im Gespräch. Begleitet wird er vom herzlichen Fotografen Robert ‚Bob‘ Lebeck (Charly Hübner), mit dem Romy durch vorangegangene Zusammenarbeit einen vertrauten Umgang pflegt.

Jürgs will Romy um jeden Preis mit den tragischen Seiten ihres Lebens konfrontieren, ihr Geständnisse entlocken, um ein aufsehenerregendes Porträt zu veröffentlichen. Unterdessen verfällt Bob ihrem faszinierenden Wesen, das er in allerlei Facetten ablichten will. Romy bittet ihre Freundin Hilde bei diesen Interviews dabei zu sein, die nur widerwillig zustimmt. Mit ihr werden wir Zeuge, wie viel Romy von sich selbst im Gespräch mit Jürgs offenbart und wie schnell sie trotz großer Vorsätze wieder in destruktive Verhaltensmuster verfällt.

3 Tage in Quiberon

© Rohfilm Factory / Prokino / Peter Hartwig

Im Hintergrund das frühe Ende

3 Tage in Quiberon ist ein Drama von subtiler Schönheit, in Schwarz-weiß gedreht und von einem melancholischen Score untermalt. Es zeigt uns einen kleinen Auszug aus Romy Schneiders Leben, ungefähr zwei Jahre vor ihrem frühen Tod, der in jedem Zusammenbruch und jedem erneuten Aufflammen von Lebenslust als Vorzeichen im Hintergrund mitschwingt. Marie Bäumer spielt diese von Gegensätzen geprägte Persönlichkeit mit vollster Hingabe, was vor allem an ihrer Stimme deutlich wird, die so hell erklingt und von einem ähnlichen Rhythmus geprägt ist, wie man es von Romy Schneider kennt. Mit Birgit Minichmayr ist ihr ein beeindruckender Gegenpart zur Seite gestellt. Als Hilde verkörpert sie den Willen zur Vernunft, den sie aber von Anfang an vergebens ihrer Freundin einzuimpfen versucht.

 3 Tage in Quiberon umkreist schließlich die Frage, was Romy Schneider immer wieder von ihren Vorsätzen abbringt. Ist es ihre Unfähigkeit, sich von der Öffentlichkeit, von deren Forderungen und Erwartungen loszusagen? Ihre Offenheit, die sie empfänglich für Manipulation macht? Oder ihre Lust an der Aufmerksamkeit? Das Ende ist vieldeutig und vielleicht etwas zu bemüht geraten in diesem ansonsten fabelhaft gespielten Drama über eine der faszinierendsten Schauspielerinnen des vergangenen Jahrhunderts.

 

3 Tage in Quiberon3 Tage in Quiberon

Deutschland / Österreich / Frankreich 2018

Regie & Drehbuch: Emily Atef

Besetzung: Marie Bäumer, Birgit Minichmayr, Charly Hübner, Robert Gwisdek

115 Min. Kinostart Deutschland: 12. April 2018

culturshock-Wertung: 7/10

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